Bochum. . Kurse zur Selbstbehauptung bei der Polizei in Bochum sind ein Renner. Hauptkommissarin Bärbel Solf schult Frauen für den Notfall.

„Brutale Vergewaltigung auf Friedhof“, „Mädchen beraubt und belästigt“, „Sexueller Übergriff auf 14-Jährige“. Es sind Meldungen wie diese, die besonders Frauen im Gedächtnis bleiben. Die plötzlich präsent sind, wenn sie abends die Abkürzung durch den Park nehmen, wenn sie sich in der Bahn beobachtet fühlen, wenn sie im Dunkeln joggen gehen.

Gewalterfahrung im Alltag

Nicht nur wegen dieses Unwohlseins sind die Selbstbehauptungskurse, die Hauptkommissarin Bärbel Solf regelmäßig anbietet, immer gut besucht. Viele Teilnehmerinnen, so erzählt die Leiterin der Dienststelle Kriminalprävention und Opferschutz, hätten bereits Erfahrungen mit Gewalt oder Missbrauch gemacht. Allerdings selten draußen, auf der Straße, häufiger im persönlichen Umfeld.

In den allermeisten Fällen, die die Statistik aufführt, würden sich Opfer und Täter vor der Tat bereits kennen, so Solf. Und auch, wenn sich die Angst besonders gern auf dunklen Waldwegen anschleicht – dort ist die Gefahr, Opfer eines Übergriffes zu werden, vermutlich am geringsten.

„Bloß nicht zimperlich sein“

„Stellen Sie sich doch mal vor, wie ein Täter stundenlang an einem einsamen Ort, womöglich noch bei Minusgraden, darauf wartet, dass ein potenzielles Opfer vorbeikommt“, sagt Bärbel Solf. Nein, viel wahrscheinlicher sei es, dass er sich in einer Menschenmenge verstecke, an einem belebten Ort, und aus dieser Deckung heraus ein Opfer suche.

Nichtsdestotrotz – um sie für einen unwahrscheinlichen Notfall zu rüsten, oder aber, um ihnen die Angst zu nehmen: Bärbel Solf zeigt Frauen, wie sie sich behaupten können. In den Kursen geht es allerdings nicht ums „Kratzen, Treten, Beißen – auch wenn manche diese Vorstellung haben“.

Natürlich verrät Solf, wie man sich aus einem Klammergriff lösen kann, zum Beispiel: „Einen Finger des Täters packen und ruckartig verdrehen.“ Obwohl es viele Frauen Überwindung koste, sich richtig zu wehren, dürfe man dabei nicht zimperlich sein, sagt Bärbel Solf. „Die meisten haben nie geübt, sich körperlich auseinanderzusetzen.“

Doch um die Gegenwehr geht es, wie gesagt, nur am Rande. Ein viel wichtigeres Thema ist für Bärbel Solf, was im Vorfeld eines Übergriffes passiert: Wie lässt sich vermeiden, zum Opfer zu werden? Dabei spielen Körpersprache und Stimme eine wichtige Rolle, denn: „Der Täter sucht sich ein Opfer und keinen Gegner“, so Solf.

Auf das Bauchgefühl hören

Ganz grundsätzlich rät die Polizistin den Frauen, auf ihr Bauchgefühl zu hören. Wenn man eine Situation als bedrohlich einschätze, solle man sich nicht Hals über Kopf hineinstürzen, sondern erst einmal besonders wachsam sein. „Jeder ist unterschiedlich gestrickt: Was mir Angst macht, macht einer anderen vielleicht gar nichts aus.“

Und, so ungern manche Frauen das hören mögen: Ein „paar Vorkehrungen“ sind nach Bärbel Solfs Ansicht durchaus sinnvoll, wenn man etwa abends allein unterwegs ist. Damit meint sie weder Schusswaffen, die man auch dann nicht in der Öffentlichkeit mit sich führen darf, wenn man im Besitz eines Waffenscheins ist, noch Pfefferspray oder ähnliche Utensilien. Stattdessen solle man zum Beispiel über Wechselschuhe nachdenken, wenn man auf den hohen Absätzen nicht schnell laufen kann. Und im Notfall würden sich Alltagsgegenstände wie Schlüssel, Stift oder Schirm hervorragend als Waffe einsetzen lassen.

Nützlicher aber als jede Waffe – nicht nur für junge Frauen, sondern auch für Seniorinnen – könne ein simpler Taschenalarm mit mindestens 110 Dezibel sein. „Der macht Krach, bis die Batterien leer sind“, sagt Bärbel Solf. Ein Täter werde sich in dieser Situation noch einmal gut überlegen, was er als nächstes tue.

Im Ernstfall richtig reagieren

Eine junge Frau fährt am späten Abend mit dem Bus nach Hause. Ein Mann setzt sich neben sie und drückt sich immer näher an sie heran. Eine Situation, wie sie Bärbel Solf in ihren Selbstbehauptungskursen mit den Teilnehmerinnen durchspielt.

Die erste Möglichkeit, die eine Frau nun hat: aufstehen und auf einen anderen Platz setzen. Oft sei es damit schon getan, so Solf. Falls der Mann folgt, einen festhält und weiter bedrängt, müsse man „Öffentlichkeit herstellen“.

Öffentlichkeit ist wichtig

Dabei solle man andere Fahrgäste direkt ansprechen. Also nicht: „Könnte mir bitte mal jemand helfen“, sondern: „Sie mit dem roten Pullover, helfen Sie mir!“ Dabei sei ein Befehlston durchaus angebracht, eine Bitte manchmal zu schwach.

Auch wichtig: laut sprechen. Andere Fahrgäste sollen wissen, dass man jemanden zum Helfen aufgefordert hat und nach Möglichkeit ebenfalls einschreiten. „Wenn sich der Täter plötzlich einer Gruppe gegenübersieht, wird er aus der Situation raus wollen“, sagt Solf. Dazu gibt sie noch den Hinweis, dass man den Täter im Zweifel nicht festhalten, sondern besser fliehen lassen sollte, um sich nicht doch noch in eine gewaltsame Auseinandersetzung zu begeben.

Das gelte bei unbewaffneten, aber erst recht bei bewaffneten Tätern. Mit einer Anzeige bei der Polizei solle man allerdings nicht zu lange warten: „Videoaufnahmen aus Bus und Bahn sind in Bochum nur 24 Stunden verfügbar.“

Kontakt per Telefon und E-Mail

Kontakt zur Dienststelle Kriminalprävention/Opferschutz: telefonisch zwischen 7 und 15 Uhr unter 0234/ 909 40 55 oder per Mail an ki4.kv.bochum@polizei.nrw.de