Bochum. Das Anmeldeverfahren an den weiterführenden Schulen ist abgeschlossen. Wie viele andere hat Bryan keinen Platz an seiner Wunsch-Schule bekommen.
Die Schiller-Schule wird es also nicht. Dabei hatte Bryan ein gutes Gefühl: Das beinahe schon beschaulich wirkende Gymnasium hatte am Tag der offenen Tür den ersten Favoriten, das Neue Gymnasium, endgültig ausgestochen. Obwohl dieses mit seiner modernen Ausstattung, den Räumlichkeiten, den vielen Wahl-Möglichkeiten ordentlich vorgelegt hatte. Und nun: abgelehnt.
94 Prozent der Bochumer Viertklässler haben einen Platz an der weiterführenden Schule ihrer Wahl bekommen. Die restlichen sechs Prozent, immerhin 182 Kinder, mussten sich noch einmal neu orientieren. So wie Bryan.
Familie Kuriewicz reagiert auf die Ablehnung erst einmal mit Aktionismus: Mama Susan fährt bei der Schule vorbei, wo man ihr freundlich aber bestimmt erklärt, dass sie „keine Chance“ mehr habe. Trotzdem reicht sie, ganz Kämpferin, einen Widerspruch ein und erhält eine Einladung zum persönlichen Gespräch – donnerstags, 9.15 Uhr. Die berufstätige Mutter nimmt sich also einen halben Tag frei, denn „da flammt natürlich noch einmal Hoffnung auf“.
Widerspruch bleibt erfolglos
Das Gespräch hat kaum begonnen, da heißt es bereits: „Ihr Kind wird nicht aufgenommen.“ Widerspruch abgelehnt. „Warum bin ich eigentlich hier?“ fragt sich Susan, als ihr noch einmal ausführlich das Verfahren erklärt wird: Zuerst würden Anmeldungen von Kindern berücksichtigt, die bereits Geschwister an der Schule haben. Die übrigen Plätze würden ausgelost. Susan Kuriewicz ist nicht die einzige, die sich daran stört, das es am Ende immer das Los gewesen sein soll. Eine Ablehnung aufgrund feststehender, genau gewichteter Kriterien könnte sie leichter akzeptieren, glaubt sie. Auch andere berufstätige Eltern melden sich in der Redaktion: Sie finden es wichtig, dass ihr Kind an einer wohnortnahen Schule unterkommt, damit es den Schulweg allein bestreiten kann und nicht völlig aus seinem sozialen Umfeld herausgerissen wird. „Warum zählen diese Kriterien gar nicht?“, fragen sie.
Mit wie viel Sorge und Unsicherheit das Thema verbunden ist, zeigt schon die Tatsache, dass selbst Susan Kuriewicz, die sonst kein Blatt vor den Mund nimmt, nach der Ablehnung erst einmal nichts über das kleine Drama, das sich zu Hause gerade abspielt, in der Zeitung lesen will. Sie fürchtet, damit Bryans Chancen auf einen Platz an einer anderen Schule zu gefährden. Ob berechtigt oder nicht – mit dieser Sorge ist sie nicht allein. Auch andere Eltern erzählen zwar vom kurzfristigen Ausnahmezustand angesichts der Ablehnung, wollen aber nicht mit Namen zitiert werden: „Wir müssen die Plätze nehmen, die übrig bleiben“, bemängeln sie. Erst habe man eine schier unendliche Auswahl zwischen diversen Schulen und Zweigen, um dann plötzlich nur noch eine Art „Restposten“ zu sein, so formuliert es Susan.
Eltern wünschen sich anderes System
Eine Mutter fragt, ob ein anderes Zuweisungssystem nicht sinnvoller wäre. Eines, bei dem man Zweit- und Drittwunsch angeben kann und in jedem Fall auch an einer der gewählten Schulen aufgenommen wird. Rein rechnerisch, so der Leiter des Schulverwaltungsamtes Martin Stempel, würde das den Eltern keinen Vorteil verschaffen: Es bleibe schließlich dabei, dass es populäre Schulen mit mehr Anmeldungen als freien Plätzen gebe. Und: „Das Verfahren hat sich bewährt. Bisher gab es keine Notwendigkeit für einen Zweit- und Drittwunsch. Man möchte den Eltern in der zweiten Runde noch möglichst viele Freiheiten gewähren.“
Susan beginnt diese „zweite Runde“ damit, dass sie die Gymnasien abtelefoniert: Wo gibt es noch freie Plätze? Zwar stehen auf der Liste, die der Ablehnung der Schiller-Schule beilag, alle Schulen, die noch freie Kapazitäten haben – doch ob es drei oder 30 Plätze sind, ob die Chancen also gut oder womöglich wieder sehr schlecht sind, geht daraus nicht hervor.
Es klappt am Hildegardis-Gymnasium
Schließlich versuchen es die Kuriewiczs beim Hildegardis-Gymnasium, das sie bisher gar nicht in Betracht gezogen haben. Auf dem Anmeldebogen müssen Eltern ankreuzen, ob das Kind die normale Klasse oder die bilinguale Französisch-Klasse besuchen soll. Susan zögert. Bryan ist redegewandt, mit Englisch wird er zurechtkommen, da ist sie sicher – aber Französisch? Ob ein Kreuz an der falschen Stelle auch diesen Platz gefährden könnte? Bryan kann sich mit dem Gedanken an die Französisch-Klasse anfreunden, also kreuzt Susan beides an und schreibt „oder“ dazu. Signal: Wir nehmen, was wir kriegen können. Wir stellen keine Ansprüche. Hauptsache, es klappt diesmal mit dem Platz. Und es klappt.