Überzeugende Premiere im Theater Unten: Sandra Anklam inszeniert das Ibsen-Drama packend und zwingend logisch mit starken Laien-Darsteller.

„Der Verborgene“ nähert sich dem jungen Peer Gynt und flüstert ihm zu: „Werde hart. Wer träumt, verschläft das Leben.“ Peer, zuvor ein Tagträumer, der oft nicht zwischen Realität und Fantasie zu unterscheiden vermag, befolgt seinen Rat. Er geht hinaus in die Welt, wird durch Sklavenhandel reich, wird beraubt, kehrt in sein Dorf zurück und heiratet seine große Liebe.

Sandra Anklam, Leiterin des Fachbereichs Theater an der Akademie für kulturelle Bildung des Landes NRW, hat Henrik Ibsens Drama in Zusammenarbeit mit dem Schauspielhaus und der Bochumer Klinik für Psychiatrie inszeniert. Es ist nicht ihre erste Arbeit in dieser Form. Aber es ist vielleicht ihre bislang beste.

Patienten und Klinikmitarbeiter als Schauspieler

19 Schauspieler, Patienten und Mitarbeiter der Klinik spielen die Rollen. Als Dorfgemeinschaft lassen sie den armen Peer ihre Verachtung spüren, worauf er bei einem Fest ins Schnapsfass pinkelt. Er umwirbt unbeholfen die Pastorentochter Solvejg, die ihn zunächst ablehnt, sich ihm dann aber zuwendet.

Zur Mitte der rund 75 Minuten wechseln die Darsteller der Hauptrollen – und das ist zwingend logisch. Bewegte sich Peer Gynt zuvor in einem Zwitterreich aus Fantasie und Wirklichkeit, war ein innerlich Reisender, geht er nun tatsächlich hinaus in die Welt, nach Amerika. Als er nach einem Schiffsunglück beim Menschenhändler Jones landet, soll auch er durch Sklavenhandel reich werden. Das sei doch aber ungerecht, protestiert Peer. Darauf Jones: „Das ganze Leben ist ungerecht!“

Heftiger als Lohn für die Darbietung

Anklams Zugriff ist ungemein packend und spannend, fast ist ein körperliches Unbehagen spürbar. Wenn das passiert, sieht man gutes Theater.

Zwiebeln liegen auf dem Boden der Bühne. Ihre Symbolhaftigkeit ist nicht erst durch Günter Grass bekannt. Man kann sie häuten und häuten und findet doch keinen Kern. Als Peer Gynt kurz vor dem bittersüßen Ende in der Psychiatrie landet, wird er von den Doktoren zum „König des Wissens“ erhoben. „Weil er weiß, dass er nichts weiß.“ Und auch hier stellt sich die Frage: Wer ist hier eigentlich verrückt?

Heftiger Applaus war der Lohn für starke Darsteller und eine empathische Inszenierung. Diesen Theater-Wahnsinn muss man gesehen haben. Doch Obacht: Es duftet nach Zwiebeln.