Bochum. . Der Bochumer Software-Entwickler GData fischt täglich 400 000 Daten-Schädlinge aus dem Internet. Der Mittelstand muss sich besser schützen.
Mit einem Knopfdruck hat Kai Figge die ganze Welt im Blick. Auf dem Touchscreen-Tisch, der an die Schaltzentrale von Raumschiff Enterprise erinnert, kann sich der Mitgründer des Bochumer Software-Unternehmens GData ein Bild von den Hacker-Angriffen rund um den Globus machen. Und das werden immer mehr. „Wir sehen auf dem Bildschirm, welche Angriffe verhindert wurden“, sagt Figge. Das ist freilich auch das Kerngeschäft von GData. Die Firma entwickelt und aktualisiert Programme, die private und gewerbliche Nutzer von Computern und Smartphones vor kriminellen Attacken schützen sollen.
Mit der wachsenden Digitalisierung und globalen Vernetzung gewinnt das Thema Datensicherheit immer mehr an Bedeutung. 2016 registrierte das Bundeskriminalamt mehr als 250 000 Straftaten rund um das Internet. 82 649 davon waren Cybercrime-Fälle im engeren Sinne. Das entsprach einer Steigerung um mehr als 80 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Meist sind es Schadprogramme in E-Mail-Anhängen, die das Computersystem eines Unternehmens vollends lahmlegen können.
Erpresser verschicken Trojaner
Immer häufiger treiben auch digitale Erpresser ihr Unwesen. Das BKA ermittelte 2016 fast 1000 Erpressungsversuche. Die Masche: Täter greifen Unternehmen mit sogenannter Ransomware an, die alle firmeneigenen Daten verschlüsselt und damit unnutzbar macht. Für den Freischaltcode verlangen die Kriminellen in der Regel Geld.
„Diese Erpressungs-Trojaner kann man im illegalen Teil des Internets, dem Darknet, inzwischen mieten oder kaufen“, sagt GData-Vorstand Figge mit einem Kopfschütteln. Ein Krankenhaus in Neuss wurde auf diese Weise bereits lahmgelegt. Auch die Telekom wurde angegriffen. Die Folge: Tausende Kunden konnten ihre Internet- und Telefonanschlüsse nicht nutzen.
Aktualisierung der Software im Stundentakt
Bundesinnenminister Thomas de Maizière lässt keinen Zweifel daran, dass Hacker auch kritische Infrastruktureinrichtungen wie Kraftwerke zum Erliegen bringen werden. Allein GData in Bochum fischt täglich 400 000 Daten-Schädlinge aus den Netzen, macht sie unschädlich und aktualisiert die Antiviren-Software im Stundentakt.
Dennoch scheint die Erpresser-Masche zu funktionieren. „Jedes dritte Opfer bezahlt, unabhängig davon, ob es seine Daten zurück erhält“, sagt Figge. Gemeinsam mit seinem Gründer-Kollegen Andreas Lüning hatte er für GData 1987 „die wahrscheinlich erste Antivirus-Software der Welt“ entwickelt. Nach Ausflügen in das Geschäft mit Routenplanern und Texterfassungsprogrammen haben sich die Bochumer 2006 wieder ganz auf das Feld Datensicherheit konzentriert.
GData wächst rasant
Mit Erfolg: GData beschäftigt inzwischen 500 Mitarbeiter und ist nach Figges Angaben weltweit die Nummer drei unter den Anbieten von Sicherheitsprogrammen für Privatkunden und der viertgrößte Anbieter für gewerbliche Lösungen. Europaweit nutzen nach Angaben des Vorstands fünf Millionen Kunden die Software made in Bochum. Gerade erst hat das Unternehmen seinen Sitz, das ehemalige Gebäude des Konsumverein Wohlfahrt, kernsaniert.
Das rasante Wachstum von GData spiegelt den Bedeutungszuwachs der Datensicherheit wider. Eine Umfrage im Auftrag der GData ergab, dass nur rund die Hälfte aller mittelständischen Unternehmen über einen Notfallplan verfügen, sollten sie Opfer eines Hacker-Angriffs werden. „Das Problem sind nicht die Firewalls und der Netzwerkschutz. Darüber verfügen inzwischen 99 Prozent der Firmen. Das reicht aber nicht mehr aus. Oft hapert es an der Bedienung“, sagt Kai Figge. Entscheidend sei auch, die Mitarbeiter gut zu schulen und die Systeme extern überprüfen zu lassen. „Alle müssen wissen, dass ein fremder USB-Stick ein Infektionsherd sein kann“, so der Manager. „Wer die Digitalisierungs-Dividende mitnehmen und von deren Komfort profitieren will, muss sich auch darum kümmern, dass er auf der sicheren Seite ist“, sagt Figge.
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„Nicht nur bei Kreditgesprächen weisen wir unsere Kunden darauf hin, dass sie sich vor Hackern schützen müssen“, sagt Thomas Koch, Leiter des Digital-Hub West der Commerzbank. „Die Bedrohungen sind sehr real.“ Er rät, nur verschlüsselte E-Mails zu versenden.
Nach Kochs Angaben taucht immer häufiger das Phänomen des „kleinen Chefbetrugs“ auf. Über eine gefälschte Mail bittet der Chef, der sich gerade im Ausland aufhält, um die Überweisung eines Geldbetrags. Viel zu spät werde erkannt, dass Betrüger dahinter stecken. Der Banker warnt zudem vor Betrügern, die Bankverbindungen von Unternehmen ändern und auf diese Weise Gelder umleiten. Koch: „Deshalb sollten unbedingt alle Stammdaten geschützt werden.“