Bochum. . Rollenwechsel: In Robert Schusters Shakespeare-Inszenierung werden Männer-Figuren zu Frauen, die wiederum von Männern gespielt werden.
Männer in Frauenrollen (und umgekehrt) sind in Shakespeares Stücken nichts Ungewöhnliches. Wer am Ende „die Hosen anhat“, ist dabei nicht immer leicht zu sagen. Das gilt gerade auch für „Ende gut, alles gut“. Die, wie sie genannt wird, „dunkle Komödie“ wird wegen der unkonventionellen Geschlechterrollen selten gespielt.
Im Schauspielhaus hat Regisseur Robert Schuster gerade das gereizt: Bei ihm werden aus männlichen Figuren Frauen, die wiederum von Schauspielern verkörpert werden.
#Aufschrei und schallendes Lachen
Die Geschlechter werden also zweifach umgepolt, was anfangs ein bisschen schwer zu durchblicken ist, im Laufe des Abends aber allerhand über die herrschenden kulturellen Setzungen verrät. Wer schreibt eigentlich Männern die Rolle des Starken, des Kriegshelden zu, wer den Frauen das Abwartende, Hingebungsvolle?
Es ist die patriarchalische Gesellschaft, und die Inszenierung provoziert geschickt und auch mit Vergnügen die Frage: Wie stark halten uns Vorstellungen von Männlichkeit und Weiblichkeit im Griff? Bei Shakespeare steht die Waise Helena im Mittelpunkt, der es mit Willen und extremen Methoden gelingt, den Adligen Bertram als Ehemann zu gewinnen – obwohl der sich lange sträubt.
Spiel im Spiel wirkt echt
In Schusters Drehung wird Helena zu Paris, also zu einem Mann. Der wird aber von einer Frau gespielt, Raphaela Möst. Aus Bertram wird Brigitte – dargestellt von Daniel Stock.
So geht es mit allen Figuren, und es ist erstaunlich, was hervorquillt, wenn man den üblichen Gender-Blick ablegt. Günter Alt als Königin, Ronny Miersch als „Parolles“, Roland Riebeling als Coco, Christopher Heisler als (sic!) Chanel. Und umgekehrt: Bettina Engelhardt als Graf und Therese Dörr als Giovanni. Wohlgemerkt: Das Spiel im Spiel ist nicht als Travestie oder Persiflage angelegt, sondern so gefasst, dass es „echt“ wirken könnte, wenn wir nicht in einer männer-, sondern frauenbestimmten Gesellschaft lebten.
Es ist die Tochter des Grafen, nicht der Sohn, die in den Krieg zieht, es ist der kleine Junge Paris, nicht das schüchterne Mädchen Helena, der ihr folgt und von den abgebrühten „Damen“-Soldaten nicht ernst genommen wird.
Konzept spricht für sich
Das klingt verrückt, und es wird auch so gespielt. Mit Witz, mit großem Ernst im Unernsten, mit Situationskomik. Auch Bezüge zur #Me Too-Debatte fehlen nicht, obwohl die eigentlich überflüssig sind. Das Konzept spricht für sich, und die Schauspieler sind super! Zumal Jürgen Hartmann als Närrin im Geisha-Outfit immer wieder auch melancholische Akzente setzt.
Nicht minder einnehmend ist die sich immer wieder wendende, verschränkte Drehbühne von Jens Kilian (auch Kostüme), mit leuchtenden Sonnen und Monden als faszinierende Kulisse. Wie die Gestirne ziehen alle ihre Bahn, bis es am Ende heißt: Ende gut, alles gut.
So rundet sich die Aufführung zu einem Abend mit hohem Unterhaltungs- und Schauwert. Und sie bietet am Ende auch ‘was zum Nachdenken: Was könnte mehr über die Gesellschaft verraten als die Frage, warum manche Rollen-Zuschreibungen einen #Aufschrei auslösen – und andere einfach nur ein schallendes Lachen.