Bochum. . Beim Jahresempfang gibt sich die IHK Mittleres Ruhrgebiet launig und frisch. Thema des Abends ist die Nachfolge in Familienunternehmen.

Sollte jemand zu spät zum Jahresempfang der Industrie- und Handelskammer (IHK) Mittleres Ruhrgebiet gekommen sein, hat er sich vermutlich am falschen Ort gewähnt: Hunderte bunte Luftballons flogen am Freitagabend im Schauspielhaus zur Decke. Das Treffen der 600 Gäste aus Wirtschaft, Verbänden, Politik und Verwaltung glich da mehr einem bunten Abend als einem IHK-Treffen.

Dazu passte auch die legere Atmosphäre der Podiumsdebatte, die von den IHK-Kompetenzfeldmanagern Kerstin Groß und Stefan Postert moderiert wurde. Die IHK, auch in Bochum über Jahrzehnte das Sinnbild verknöcherter Strukturen und bürokratischer Attitüde, setzt ihren vor zwei Jahren eingeleiteten Erneuerungsprozess auch in der Außendarstellung fort. „Auch wir müssen alte Strukturen aufbrechen und uns neuen Ideen öffnen“, sagte IHK-Präsident Wilfried Neuhaus-Galladé zur Begrüßung.

Kammer-Arbeit auch in Beiräten

Nachdem sich die Kammer 2017 völlig neu organisiert hat, stellt sie nun die ehrenamtliche Mitarbeit ihrer Mitglieder, der Unternehmen, auf neue Füße. Sie können sich künftig jenseits der Vollversammlung, dem höchsten IHK-Gremium, in Innovationskreisen und Beiräten weit mehr an der Kammer-Arbeit beteiligen als das bislang möglich war.

Tauschten sich beim IHK-Jahresempfang aus: Bochums Oberbürgermeister Thomas Eiskirch (l) und IHK-Präsident Wilfried Neuhaus-Galladé .
Tauschten sich beim IHK-Jahresempfang aus: Bochums Oberbürgermeister Thomas Eiskirch (l) und IHK-Präsident Wilfried Neuhaus-Galladé .

Der Wandel war das Thema des Abends. In der „IHK-Lounge“ auf der Bühne sprachen die beiden Moderatoren mit vier Gesprächspartnern über die Frage, wie die Nachfolge in einem Familienunternehmen organisiert werden sollte, damit weder Unternehmen noch Familie Schaden erleiden.

Vier Unternehmer berichten

Christina Philipps, Geschäftsführerin der Johann-Philipps-Verwaltungs-GmbH (Bochum), hat vor zehn Jahren gemeinsam mit ihrem Bruder die elterliche Firma übernommen. Anja Graf ist als Prokuristin in die Leitung der Anton-Graf-GmbH (Herne) eingestiegen.

Professor Tom A. Rüsen, Geschäftsführender Direktor des Wittener Instituts für Familienunternehmen, ist ausgewiesener Experte in Fragen der Firmennachfolge. Und IHK-Präsident Wilfried Neuhaus-Galladé, der 1989 die Geschäftsführung der traditionsreichen J.D. Neuhaus GmbH & Co. KG (Witten) übernommen hat, steht selbst vor der Frage, wie und wann der Übergang von der siebten in die achte Generation des Familienunternehmens geschehen soll.

Es geht um 500 000 Beschäftigte

In zwei, drei Jahren, so der 60-Jährige, könnte es so weit sein. Sein Rat: früh damit beginnen, sich über die Nachfolge Gedanken zu machen. Ein Drittel der Familienunternehmer in NRW ist älter als 55 Jahre – das Thema drängt. Dabei geht es um die Zukunft von schätzungsweise 75 000 Firmen mit 500 000 Beschäftigten.

Ein „gut aufgestelltes Unternehmen“, so die Erfahrung von Tom Rüsen, „findet in der Regel einen Nachfolger“. Der müsse nicht zwangsläufig aus der Familie kommen. Die Familie indes muss die schwierige Entscheidung treffen, ob jemand aus ihrem Kreis und wer in der Lage ist, das Geschäft zu übernehmen.

IHK-Präsident: Geben Sie der Jugend eine Chance

Zwei Logiken, die des Unternehmens (Wer ist am besten geeignet?) und die der Familie (oberstes Gebot ist die Gerechtigkeit) stoßen dabei aufeinander. Rüsen: „Viele Unternehmensübergaben scheitern wegen des Ärgers in der Familie.“

„Man muss ja nicht nur wollen. Man muss ja auch können“, so Christina Philipps. Ein Unternehmen zu übergeben verlange einen realistischen und keinen emotionalen Blick auf die potenziellen Nachfolger. Sie habe in der eigenen Firma erfahren, dass es sinnvoll sei, wenn „Senioren und Junioren“ für eine gewisse Zeit „gemeinsam in Verantwortung sind“.

Beifall erhielt Neuhaus-Galladé am Freitag auch für seinen Appell an die Betriebe, sich um das Thema Ausbildung zu kümmern und nicht über die Defizite potenzieller Azubis zu lamentieren: „Bilden Sie aus. Investieren Sie in Ihren Nachwuchs. Helfen Sie den jungen Menschen, ihre Defizite abzubauen. Geben Sie ihnen eine Chance.“

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„Wir im Ruhrgebiet können Strukturwandel“, sagte IHK-Chef Wilfried Neuhaus-Galladé in seiner Begrüßungsrede.

Die Region stehe vor drei großen Herausforderungen: den Fachkräftemangel zu bewältigen, die duale Ausbildung wieder zu intensivieren und die Integration der Flüchtlinge.

Integration könne „nur gelingen, wenn zwei Dinge gewährleistet sind – die Menschen müssen Deutsch lernen und die Menschen müssen fit gemacht werden für den Arbeitsmarkt“.