Bochum. . Wakil-Ahmad Omerpur hat in Afghanistan für die UN gearbeitet, bis sein Leben in Gefahr war. In Bochum beginnt seine Familie neues Leben.

„Alles ist gut.“ Das sagt Wakil-Ahmad Omerpur oft. Mit einem Lächeln, das keinen Widerspruch duldet. Was der Afghane Wakil-Ahmad Omerpur (45) erlebt hat, hätte aus ihm auch einen anderen Menschen machen können, einen, der die Welt voller Verbitterung betrachtet.

20 Jahre lang hat Omerpur in Afghanistan für die UN gearbeitet, hat in verschiedenen Projekten in Kabul und Herad den Schwachen geholfen: geflohenen Menschen, Kindern ohne Eltern, alleinstehenden Müttern, alleinstehenden Vätern, Alten, Kranken. Er verdiente gut, besaß ein eigenes Auto, ein eigenes Haus. „Aber meine Heimat hat Probleme“, sagt Omerpur, „auch wenn man dort alles hat, kann man nicht unbedingt gut leben“. Denn für die Taliban und ihre Sympathisanten galt irgendwann jeder als Verräter, der internationale Organisationen unterstützt. Omerpur hebt die Hand, zieht sie mit Schwung über seinen Hals. „Das machen sie mit Leuten, die mit den Ausländern zusammenarbeiten.“

Seit Dezember 2015 lebt er in Bochum

Im Juni 2015 hielt er die Bedrohung nicht mehr aus. Denn da war ja nicht nur er selbst, sondern auch die Familie: seine Frau Shamisa, seine Tochter Kawsser, sein Sohn Allahdad.

Ein halbes Jahr war die Familie unterwegs, kam nach Russland, in die Ukraine, nach Ungarn, wo Omerpur für einen Monat eingesperrt wurde. Am 10. November 2015 dann: Ankunft in Dortmund. Keine drei Wochen später waren sie in Bochum. Und blieben. „Viele Menschen haben uns geholfen“, sagt Wakil-Ahmad Omerpur. „Ich danke ihnen allen.“

Er hat sich selbst Hilfe gesucht

Auch Vera-Marie Hälbig vom Jobcenter und Omerpurs heutigen Chef Andreas Vincke schließt dieser Dank mit ein – doch die beiden winken ab: „Herr Omerpur hat sich vor allem selbst Hilfe gesucht“, sagt Hälbig und berichtet von diesem Mann, der kaum, dass er deutschen Boden unter den Füßen hatte, bei der Arbeitsagentur vorstellig wurde und nach Arbeit fragte, nach Sprachkursen, nach Möglichkeiten, etwas zu tun, auch ehrenamtlich. Vorschriften verdammten ihn zum Warten, doch er ließ sich nicht entmutigen. „Er hat freiwillig an mehreren Maßnahmen teilgenommen.“ Praktika, Kurse, Bewerbungen für eine Ausbildung in der Altenpflege.

„Ich möchte Menschen helfen“, sagt Omerpur dazu, ganz wie in seinem früheren Job.

Was er findet: Eine Arbeit als Altenpflegehelfer im Wittener Feierabendhaus. Nun geht er morgens um sechs aus dem Haus zur Arbeit, besucht danach den Deutsch- und Integrationskurs, bis abends um sieben ist er unterwegs. Seit November kommt er ohne Geld vom Jobcenter aus. „Alles ist gut“, sagt Omerpur lächelnd.

Omerpurs Frau brach wegen der Taliban die Schule ab

Und der Ausbildungsplatz? Zum Greifen nah. Denn Andreas Vincke, Leiter der Feierabendhäuser, sieht etwas in seinem Mitarbeiter: „Für diese Arbeit braucht man eine ganz bestimmte Haltung den Menschen gegenüber, die kann man keinem beibringen – Herr Omerpur hat sie.“ Es sei keine Frage, dass er die Ausbildung machen könne - nur wann. Sein Deutsch müsse noch ein wenig besser werden, „die Ausbildung ist anspruchsvoll“, so Vincke.

Omerpurs Kinder gehen mittlerweile hier zur Schule, haben sich eingelebt. Auch ihre Mutter Shamisa, die anfangs oft Heimweh hatte, beginnt langsam, mit der Stadt warm zu werden. „Sie ist aber oft einsam, wenn ich arbeite und die Kinder in der Schule sind“, sagt Omerpur. Aber auch das, so glaubt er, werde bald besser werden.

Denn Shamisa Omerpur, die wegen der Taliban die Schule abbrechen musste, möchte auch etwas lernen, möchte arbeiten, vielleicht als Köchin oder Schneiderin. „Alles ist gut“. Wakil-Ahmad Omerpurs Satz schließt auch ihre Zukunft mit ein.