B ochum. . Im Theater Unten tritt Frederick Krieges Debüt-Inszenierung auf der Stelle. Der Bezug zu Facebook & Co. wird behauptet, aber nicht ausgespielt.

Mit „Geschlossene Gesellschaft“ von Jean-Paul Sartre kommt eines der bekanntesten Theaterstücke des 20. Jahrhunderts im Schauspielhaus auf die Bühne. Das Drama um drei Eingeschlossene, die weder vor sich selbst noch vor den Anderen fliehen können, gilt als Schlüsselwerk des Existenzialismus. Im Theater Unten sucht der junge Regisseur Frederick Krieger (*1990) nach einem zeitgemäßen Zugang. Leider verirrt er sich dabei im Theaterkeller der Beliebigkeit.

Im Programmheft wird mit klugen Worten erläutert, warum das 1944 geschriebene Stück heute noch eine Rolle spielt. In Kurzform: Der Mensch ist in seiner (existenzialistisch aufgefassten) Freiheit bedroht, sobald ihn der Blick des Anderen trifft. Nur über die Wahrnehmung durch den Gegenüber bekommen wir eine Identität; wir sind davon abhängig.

Sprachfindungsstörungen live

Dass die Frage „Was ist mein Selbst?“ in Zeiten von Facebook, Instagram & Co. aktueller ist denn je, liegt auf der Hand: Was wir „Freunden“ im Internet präsentieren, muss nicht unbedingt das sein, was wir wirklich sind. Lüge, Verstellung, Camouflage und Eitelkeit wirken immer mit. So weit, so nachvollziehbar. Aber warum zeigt die Inszenierung es nicht?

Sartres Bühnenraum, in dem das Licht immer brennt und der Schlaf niemals kommt, ist das kahle Theater Unten, kalt erleuchtet von Neonröhren, mit einem Spiel-Boden aus weißen Plastikklötzen voller Abgründe dazwischen (Bühne: Amelie Neblich). Hier treffen Garcin (Matthias Eberle), Inès (Johanna Eiworth) und Estelle (Simin Soraya) aufeinander. Sie schlagen die Augen auf, erblicken einander; die Hölle tut sich auf. Argwöhnisch umkreisen sich die Drei, bis am Ende die Maske fällt. Lügen werden entblößt, das Selbstbild bröckelt.

Karten erst wieder ab März

Die Sartre-Aufführung ist stark gefragt, bereits vor der Premiere am Donnerstag waren die Folge-Vorstellungen am 29. Januar sowie am 1., 15. und 25. Februar bis auf einige Restkarten ausverkauft.

Für die Vorstellungen am 16. und 25. März im Theater Unten sind noch Karten erhältlich. Anfangszeiten, Infos und Tickets unter 0234/3333-5555.

Krieger nimmt in seiner Debüt-Inszenierung den Sartre-Text weniger beim Wort als dass er ihn als Steinbruch benutzt, den er mit Einfällen zuschüttet. Vom philosophischen Gehalt des Stoffes wird kaum etwas übrig gelassen, abgeschöpft wird lediglich der Rahm des verruchten, höllischen Spiels. Anstatt dem Text zu vertrauen, hagelt es zeitgenössische Bezüge; von Transgender bis zur Penisverlängerung wird nichts ausgespart. So entwickelt sich ein Spiel, das den Schauspielern nicht nur wegen der Balanceakte über die wackeligen Kisten einiges abverlangt. Sie dürfen so gut wie keinen Satz geradeaus sprechen, alles ist Gestammel, Gemurmel, Gebrummel, Wortwiederholung – Sprachfindungsstörungen live. Wenn man es nicht besser wüsste, könnte man meinen, bei den Teletubbies gelandet zu sein.

Der blutleere Abend wird weder dem Stück noch den eigenen Ansprüchen an das Stück (siehe Programmheft) gerecht. Ob Sartre das wirklich verdient hat?