Bochum. . 20 WAZ-Leser erkundeten mit Stirnlampen die Katakomben der Jahrhunderthalle. Ein Aha-Effekt: Im Tunnelsystem werden offenbar Partys gefeiert.
Die historischen Fundamente und Torbögen sind im Zwielicht gut zu erkennen. „Als hier noch gearbeitet wurde, herrschten 45 Grad. Das war knochenharte Maloche“, sagt Heike Brauckhoff und schwingt einen 36er-Schraubenschlüssel, der riesengleiche Schatten auf die Backsteinwand wirft. Fehlt nur der gute alte Mottek, hier, in der Unterwelt der einstigen Industriestadt, erkundet von 20 WAZ-Lesern im fahlen Schein von Stirnlampen.
Seit 2003 Messe- und Kulturstätte
Die Jahrhunderthalle gilt als Bochums Prunkstück. Das war sie schon 1902, als sie der Bochumer Verein als mächtige Messehalle samt Kirchturm, der Stahlglocken wegen, für die Düsseldorfer Industrie- und Gewerbeausstellung errichten ließ. Für den Glockenturm schlug anschließend das letzte Stündlein. Die 66 Meter lange Stahlträgerhalle indes wurde als Gebläsemaschinenhalle für die Hochöfen des Bochumer Vereins wiederverwendet. Seit 2003 dient sie als Messe- und Kulturstätte von der Triennale bis zur 1Live-Krone.
Längst hat die Bochumer Veranstaltungs-GmbH die Jahrhunderthalle auch für den Tourismus entdeckt. Genauer: die 10 000 Quadratmeter umfassenden Katakomben, die vielfach zugeschüttet und verfüllt, aber immerhin noch zu einem Drittel begehbar sind. Besonders beliebt: die sonntäglichen Stirnlampenführungen, die Monate zuvor ausgebucht sind. „Sieben Meter unter der Erde entsteht so eine ganz besondere Stimmung. Die vielfältigen optischen Eindrücke, die Geräusche und Gerüche, die Wärme werden deutlich intensiver wahrgenommen“, schwärmt Touristikchefin Heike Brauckhoff.
Auf die 20 Leser, die die Führung gewonnen haben, wartet zunächst Geschichtsunterricht. Heike Brauckhoff taucht mit der WAZ-Gruppe in die Historie des Bochumer Vereins und der Jahrhunderthalle hinab, zeigt Luftbilder und Fotos aus der Produktion Anfang des 20. Jahrhunderts. 15 000 Menschen haben hier mal gearbeitet.
Dann geht’s abwärts. Mit den Lampen auf der Stirn oder in der Hand lernen die Leser Bochum ganz unten kennen. Fast geheimnisvoll wirken die steinernen, metallenen, mitunter rostigen Relikte der prosperierenden Stahl-Historie im Funzelgeleucht. Röhren, Kabelstränge, Bauschutt sind zu erblicken. Der Gestank von Öl und Teer hat sich in die Gemäuer eingefräst. „Hier riecht’s wie früher“, flüstert ein ehemaliger Stahlarbeiter. Ungebetene Gäste scheint das nicht zu stören. Mehrfach haben Techniker in den Schächten Shisha-Pfeifen und Flaschen gefunden. Eine Party-Location ganz eigener Art.
Weitere Führungen geplant
Nach gut einer Stunde führt eine ausladende Treppe hinauf in die Jahrhunderthalle. Die WAZ-Gruppe fröstelt in der Kälte. Doch warm ums Herz ist es allen geworden.
Alsbald soll es auch Führungen durch die benachbarte Turbinenhalle und den Bochumer Verein geben, kündigt Heike Brauckhoff an. In der alten Industriestadt Bochum gibt es noch viel zu entdecken.