Bochum. Ausgerechnet im Jahr des 70. Geburtstags der WAZ ist das Haus, in dem 1948 die erste WAZ-Ausgabe erstellt wurde, vom Abriss bedroht.
Nein, eine persönliche Verbindung habe er zum alten Anzeiger-Haus nicht. Thomas Laupenmühlen, ehemaliger geschäftsführender Gesellschafter der vor sechs Jahren in Konkurs gegangenen Druckerei Laupenmühlen & Dierichs, ist kein sentimentaler Mensch.
Noch steht das mächtige Verlagshaus, das sein Urgroßvater Otto Laupenmühlen 1909 an der damaligen Adresse Alleestraße 8, direkt neben dem alten Rathaus, errichten ließ, selbstbewusst an seinem Platz.
Stadt erwarb den Bau um 1959
Der Krieg konnte den wuchtigen Bau nicht in die Knie zwingen. Das will jetzt die Stadt erreichen, die das Gebäude, in dem die Westdeutsche Allgemeine Zeitung vor 70 Jahren gegründet wurde, und 1959 erwarb. Ohne die dortige Rotation dürfte die WAZ jedenfalls nicht so rasch erschienen sein.
Bald stand der Umzug in die neue Druckerei an der Hüttenstraße an. „Entweder lag es daran, dass wir mehr Platz durch das gestiegene Volumen der WAZ benötigten, oder, dass die Stadt das Gebäude kaufen wollte“, erinnert sich die 98-jährige Irmgard Gräfin Mensdorff-Pouilly geb. Laupenmühlen, die heute in Sydney lebt.
„In keinem wirtschaftlichen Verhältnis“
Im Rahmen der Neustrukturierung des Bereiches rund um das Rathaus (die WAZ berichtete mehrfach) soll der vom renommierten Architekten Hans Kunz entworfene Bau nun dem Abrissbagger weichen.
Den Stadtplanern war dieses Gebäude, das, ob seines Alters und seiner Bedeutung für die Geschichte der Stadt durchaus eine Rolle spielt, nicht viel mehr als eine Fußnote wert. Marode sei die Substanz, von Wasserschäden ist die Rede, die notwendigen Sanierungskosten stünden in keinem sinnvollen wirtschaftlichen Verhältnis zur einer Neubebauung, heißt es.
Über 300 000 Reichsmark Baukosten
Thomas Laupenmühlen kramte in der Chronik des altehrwürdigen Bochumer Anzeigers. Laupenmühlen wurde fündig: Erhalten geblieben ist die genaue Aufstellung der Kosten für den Neubau, denn das alte Druckhaus des Verlags an der Viktoriastraße 5 war zu eng geworden. 306 800 Reichsmark, damals eine stolze Summe, kostete der Bau (siehe Auflistung).
Die Industrialisierung hatte Bochum binnen weniger Jahre vom Ackerbürgerstädtchen zur Großstadt anschwellen lassen. Die Eingemeindungen der Vororte Wiemelhausen, Hofstede, Grumme und Hamme kamen hinzu, die Einwohnerschaft hatte sich seit 1893 – dem Gründungsjahr des Bochumer Anzeigers – auf über 100 000 verdoppelt.
Der Branntweinfabrikant investierte
Otto Laupenmühlen, der Branntweinfabrikant aus Essen, der sich am Bochumer Anzeiger Adolf Stumpf & Co. mit 75 Prozent der Anteile beteiligt hatte, investierte in den damals noch mit zwei verspielten Türmchen ausstaffierten Prestigebau, der das an seiner Seite stehende alte Rathaus deutlich überragte. Das Anzeiger-Haus ist damit älter als sein erst 1931 fertiggestellter Rathaus-Nachbar.
Obwohl der Bochumer Anzeiger als fünfte Tageszeitung recht spät auf dem hiesigen Markt erschien, setzte sich das Blatt mehr und mehr durch, übernahm bald den Hauptkonkurrenten Märkischer Sprecher. Das Anzeiger-Haus im Herzen der City wurde zum Symbol einer prosperierenden Stadt. Das Blatt galt als konservativ, soll aber bis in die Sozialdemokratie hinein anerkannt gewesen sein. Der Anzeiger hatte großes politisches Gewicht.
Das drohende Grollen der Rotationsmaschinen war bis ins Rathaus hinein zu hören.