bochum. . Olaf in der Beek sitzt für die FDP neu im Bundestag. Im WAZ-Gespräch erzählt er über Jamaika, pöbelnde Nachbarn und ein Raumschiff namens Berlin.
Die große Politik, sie schrumpft mitunter auf Karteikartenformat. Das erlebte Olaf in der Beek bei einem seiner ersten Dienstgänge in Berlin. „Die Ausgabe der Büroschlüssel wird in der Bundestagsverwaltung auf Archivkarten dokumentiert“, berichtet der Bochumer. „Ich dachte, ich seh’ nicht richtig, als der Mitarbeiter meine Daten mit einer Schreibmaschine eintrug.“ Ein Hauch von Bonn. Fehlen nur noch die Ärmelschoner.
Dabei ist In der Beek im Herbst für die FDP im Bundestag angetreten, das Land zu digitalisieren und (so ein Wahlslogan) „neu zu denken“, als Mittelständler mitzutun, die Republik zu modernisieren. WAZ-Redakteur Jürgen Stahl sprach mit dem FDP-Abgeordneten vor dem heutigen Dreikönigstreffen der Liberalen über seinen neuen Job, Jamaika und die ersten drei Monate in der Hauptstadt.
Vom Chef einer Werbe-Manufaktur zum MdB in Berlin: Die Wahl hat Ihr Leben auf den Kopf gestellt. Mal ehrlich: Hatten Sie auf Platz 19 der FDP-Landesliste ernsthaft mit dem Einzug ins Parlament gerechnet?
Da war immer eine positive Nervosität. Ich wusste: Es wird eng. Doch kurz vor der Wahl wuchs die Zuversicht. Der FDP wurde ein zweistelliges Ergebnis prognostiziert. Am Wahlabend um 22 Uhr war dann sicher: Es klappt! Mein Facebook-Account platzte vor Glückwünschen.
Hatten Sie schon vorher geregelt, wie es mit Ihrer Firma weiterläuft?
Das war alles ausführlich besprochen. Meine Frau Susanne und mein 22-jähriger Sohn Lorenz haben die Geschäftsführung übernommen. Ich bin komplett raus. Anders geht es auch nicht. Ich will eine Aufgabe immer zu hundert Prozent erledigen. Und diese Aufgabe ist jetzt mein Mandat in Berlin.
Wie waren die ersten Erlebnisse und Eindrücke als Neu-Abgeordneter?
Es ging sofort los. Direkt am Montag nach der Wahl war die erste Fraktionssitzung. Wir tagten und arbeiteten anfangs in der FDP-Parteizentrale. Es gab für uns noch keine Infrastruktur. Bis heute sind wir in Berlin so etwas wie Start-ups. Ich bezog mit einem Kollegen ein 18-Quadratmeter-Büro mit zwei Schreibtischen. Dort hausen wir noch immer. Erst nächste Woche bekomme ich ein eigenes Büro.
Wieviele Mitarbeiter haben Sie?
Mit den Kollegen im Wahlkreis acht, darunter eine Büroleiterin und einen Referenten. Das klingt zunächst mal viel, ist aber Standard
Wie erleben Sie die Hauptstadt?
Als ein Raumschiff, in dem man im Hauptbahnhof landet, das einen bei der Ankunft aufsaugt und bei der Abreise wieder ausspuckt.
Was hat Sie zum Start am meisten überrascht?
Die Post. Nach nur vier Tagen wurde mir ein dicker Stapel mit Briefen zugestellt. Dabei kennt mich ja noch kaum einer. Die meisten Schreiben kommen von Lobby-Verbänden. Meist Einladungen, bisher 40 bis 50. Angenommen habe ich nur eine: von einem Verband der Ernährungswirtschaft. Ich bin heilfroh, wenn ich abends ins Bett falle.
Wie liefen die ersten Wochen?
Die politische Arbeit beginnt gerade erst. Ich habe mich für den Umweltausschuss und den Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit beworben. Ich halte das für die wichtigsten Zukunftsfelder.
Sie sitzen im Bundestag direkt neben den AfD-Abgeordneten.
Ja. Da macht man seine eigenen Erfahrungen. Oft versteht man die Redner vorne am Mikrofon nicht, weil bei der AfD ständig gepöbelt wird. Da fallen dann Beleidigungen wie „Verräter!“ oder „Heuchler!“.
Fühlen Sie sich auch ohne Direktmandat dem Wahlkreis verbunden?
Selbstverständlich, ich bin ja Ur-Bochumer. Aktuell mache ich mir große Sorgen um das Thyssen-Krupp-Stahlwerk, das für Bochum existenziell ist. Über die Absage des geplanten Stahl-Gipfels war ich sehr enttäuscht. Die Weigerung der IG Metall halte ich für empörend! Wir als FDP wollen uns künftig grundsätzlich stärker in der Stadt einbringen. Ermutigend ist dabei die Entwicklung unserer Kreisverbandes: Die Zahl der Mitglieder hat sich unter meinem Vorsitz in zwei Jahren auf 225 verdoppelt.
>>> „Kompromisse hätten niemals vier Jahre getragen“
Waren Sie als FDP-Abgeordneter in die Jamaika-Verhandlungen eingebunden?
Wir wurden von unserer Delegation immer auf dem Laufenden gehalten und haben ihr als Fraktion inhaltlich zugearbeitet.
War das Scheitern unvermeidlich?
Letztlich ja. Wir alle waren für die Sondierung – und ebenso einhellig für den Abbruch. Das finde ich auch deshalb bemerkenswert, weil einige Kollegen bei Neuwahlen ihre Mandate wieder verlieren könnten.
Warum kam es zum Abbruch?
Von Anfang an fehlte das Vertrauensverhältnis. Unsere Forderungen wurden weitgehend abgelehnt oder verwässert. Beispiel: die Abschaffung des Soli-Zuschlags. Dazu erklärte sich die CDU zwar nach langen Verhandlungen bereit: aber nur schrittweise in der nächsten Legislaturperiode! Nein, derartige Kompromisse hätten niemals vier Jahre getragen. Wir wären zerrieben worden. Man kann sich mal krumm machen. Aber man muss sich irgendwann auch wieder gerade machen.
Welche Reaktionen haben Sie in Bochum erfahren?
Durchweg positive. Wir werden für unsere Konsequenz gelobt. Erst kürzlich sagte mir mein Hausarzt: „Ich wähle CDU. Aber die FDP hat Standfestigkeit bewiesen.“
Wie soll’s in Berlin weitergehen?
Jamaika ist vorerst tot. Ich bin für eine Minderheitsregierung. Das wäre eine Chance für das Parlament.
>>> Olaf in der Beek im Kurzporträt
Olaf in der Beek rückte dank der 10,7 vH für die FDP über die Landesliste in den Bundestag. Nach einem Bruch mit der Partei in den 90ern zählt der 50-Jährige in NRW zu den führenden Liberalen: als Landeschef des Liberalen Mittelstands und als Vorsitzender der FDP Bochum. In Essen führte der Betriebswirtschaftler bis zur Wahl eine Druck- und Design-Manufaktur.