Bochum. . Die SPD will eine Debatte über die Entwicklung Bochums anstoßen. Grundlage sind Gedanken einer Kommission. Kritik in eigener Sache gibt es auch.

Karsten Rudolph hat sich für das Jahr 2018 viel vorgenommen: Der Vorsitzende des SPD-Unterbezirks will in seiner Partei eine Debatte über die Zukunft Bochums lostreten. Selbst das Abschneiden alter Zöpfe soll dabei kein Tabu sein. Der Zeithorizont beträgt 30 Jahre.

Den Anstoß für die Diskussion um die Perspektiven Bochums bis 2050 sollen die Gedanken einer unabhängigen Kommission geben, die sich unter dem Vorsitz von Christoph Zöpel anderthalb Jahre lang mit heutigen und künftig möglichen Strukturen unserer Stadt befasst hat. Das Ergebnis liegt frisch gedruckt vor und umfasst fast 100 Seiten (siehe Info-Box).

Gesamtschau auf die Entwicklung der Stadt

„Wir brauchen eine Gesamtschau auf die Entwicklung der Stadt“, sagt Rudolph zur Ausgangslage. „Wir wissen viel über Quartiere und einzelne Iseks (Anm.: Integrierte Stadtentwicklungskonzepte), aber eine Zusammenfassung, was wo warum gut oder schlecht funktioniert, fehlt.“

Christoph Zöpel fehlt in Diskussionen und politischen Debatten über die Zukunft Bochums häufig eine vor allen Dingen realistische Bestandsaufnahme. 82 Prozent der Menschen in Bochum seien im Dienstleistungssektor und nur 18 Prozent in der Produktion beschäftigt, sagt der ehemalige NRW-Minister für Stadtentwicklung. „Diese Zahlen belegen, dass hier viele Diskussionen falsch laufen. Zu glauben, es könnte sich das Zeitalter der Schwerindustrie wiederholen, ist absurd.“ Zu den Versäumnissen der Vergangenheit gehöre es zweifellos, den Menschen, die ihre Arbeit verloren haben, „nicht gesagt zu haben: du musst umschulen für den Dienstleistungsbereich“.

Ein Sammelsurium von Häusern

Das SPD-Duo übt dabei durchaus auch Kritik in eigener Sache: „Es gehört zu den Problemen einer Partei, die eng mit den Gewerkschaften zusammenarbeitet, dass sie sich im Regelfall nicht gegen ihre Betriebsräte stellt“, sagt Zöpel. Im Klartext: Der Kampf um Arbeitsplätze habe im Strukturwandel mitunter den Blick in die Zukunft vernebelt, mindestens aber erschwert.

Bochum sei zudem keine klassische europäische Stadt, die anknüpfen könne an eine Geschichte vor der Industrialisierung. „Hier ist ein Sammelsurium von Bauten, Häusern Zechen, Straßen, Schienen und Kanälen entstanden, dem bis heute im Prinzip ein Konzept fehlt“, sagt Zöpel.

Sechstgrößter Hochschulstandort

Die entscheidendste Veränderung der vergangenen Jahre, heute mit 56 000 Studierenden die sechstgrößte Hochschulstadt Deutschlands zu sein, sei zugleich die größte Chance Bochums. Die industrielle Vergangenheit könne allenfalls als historische Komponente beibehalten werden.

Auch mit anderen „Märchen“ über die Vergangenheit sollte aufgeräumt werden. Dass die Region früher reich gewesen sei und heute arm ist, stimme nicht. Zöpel: „Wir waren niemals besonders reich.“

Wichtig für Bochums Zukunft sei es, die Einwohnerzahl stabil zu halten. Das bedeute, dass Zuwanderung aus Deutschland und anderen Ländern notwendig sei. Bochum benötige dafür mehr Wohnraum. Eine Verdichtung der städtebaulichen Strukturen sei unausweichlich. Auch die Erschließung neuer Flächen dürfe dabei kein Tabu sein. Es sei Unsinn, „jeden Quadratmeter zurzeit unbebauten Raums zu verteidigen“, sagt Zöpel.

Stadtentwicklungskongress ist geplant

„Bochum mit Zukunft – Eine europäische Stadt in der Wissensgesellschaft mit Industriegeschichte.“ – Erschienen ist das Ergebnis der SPD-Zukunftskommission unter diesem Titel im Projekt-Verlag (ISBN 978-3-89733-437-3). Unter Vorsitz von Christoph Zöpel arbeiteten zwölf weitere Mitglieder in der Kommission. U.a. Prof. Jörg Bogumil (Ruhr-Uni), Prof. Heike Kehlbeck (Hochschule Georg Agricola), Dieter Kraemer (bis 2014 VBW-Geschäftsführer) und Torsten Bölting (Geschäftsführer INWIS Forschung GmbH).

Mehrere stadtpolitische Handlungsfelder hat die Kommission definiert. Zum Beispiel die Stadt als Lebens - und Sozialraum, als Wirtschafts-, Arbeits- und Qualifizierungsstandort oder als Stadt in der Kulturlandschaft zwischen Ruhr, Emscher und Lippe. SPD- Mitglieder und interessierte Bürger sollen im Frühjahr 2018 auf einem Stadtentwicklungskongress die Themen diskutieren.