Bochum. . Der Kulturpreis wurde am Sonntag an den Theater- und Film-Regisseur aus der Schweiz überreicht. Der Festakt in den Kammerspielen war gut besucht.
Auf Bochumer Bühnen war er bislang kaum bekannt, und doch hat das engagierte Dokumentartheater des Regisseurs Milo Rau in den letzten Jahren weltweit eine solche Sprengkraft entwickelt, dass ihm dafür jetzt der größte Kulturpreis verliehen wurde, den die Stadt zu vergeben hat. Unter großem Jubel nahm der 40-jährige Schweizer am späten Montagabend in den bestens besuchten Kammerspielen den Peter-Weiss-Preis entgegen – und er dankte dafür auf sympathische, beinahe schelmische Art.
Milo Rau und das von ihm gegründete International Institute of Political Murder (IIPM) sorgen mit Inszenierungen, Filmen und aufwühlenden Aktionen seit langem für Furore, und gerne verlässt der Theatermacher dafür die komfortable Probebühne und fährt mitten ins „Herz der Finsternis“, wie Joseph Conrad es einst nannte. Im kongolesischen Bürgerkriegsgebiet versammelte er Zeugen zum „Kongo Tribunal“, in „Mitleid – Die Geschichte eines Maschinengewehrs“ begab er sich auf der Route von Flüchtlingen aus dem Nahen Osten, und in dem umstrittenen „Five Easy Pieces“ brachte er das Leben des Kindermörders Marc Dutroux auf die Bühne – gespielt von Kindern.
„Ein großes Staunen“
In „Empire“, das zur Preisverleihung in den Kammerspielen zu sehen war, erzählen Schauspieler aus Griechenland, Syrien und Rumänien von Folter, Flucht, Trauer und Tod, wobei bewusst offen bleibt, ob sie diese schweren Schicksale selber erlebt haben. „Neben aller Düsternis und Bitterkeit geht es Milo Rau in seinen Arbeiten immer auch um ein großes Staunen“, sagte die Publizistin Carolin Emcke in ihrer Laudatio. „So kommt es vor, dass ich in fast all seinen Stücken und Filmen lächeln muss, weil es mich berührt. Und weil ich mich darüber freue, dass jemand das alles wirklich wagt.“
Verehrung für Weiss’ Bücher
Gut gelaunt und leger gekleidet, widmete sich Milo Rau in seiner Dankesrede vor allem dem Namenspatron des Preises: Peter Weiss. „Seit 20 Jahren habe ich viel mit Weiss zu tun, denn seltsamerweise werde ich oft mit ihm verglichen“, sagte er. Eine gewisse „Bergmannsche Düsternis“, die Weiss’ Werken innewohne, sei wohl auch für seine Arbeiten kennzeichnend, wobei „das Scheitern und die Revolution“ für ihn zusammen gehören würden. Rau erinnerte sich daran, wie er schon als Jugendlicher Weiss’ Erzählung „Abschied von den Eltern“ verschlang. Und auch in seinem ersten Auto, einem Fiat Uno, habe vorne ein Buch von Peter Weiss gelegen: „Damit konnte man immer die Mitfahrer beeindrucken. Eine davon ist später meine Frau geworden.“
OB Eiskirch schickte seine Rede per Email
Für einen Lacher bei der Preisverleihung sorgte jemand, der gar nicht da war. Oberbürgermeister Thomas Eiskirch (SPD) ließ sich wegen einer Grippe entschuldigen und schickte seine Rede per Mail, die Schauspieler Martin Weigel vortrug.
„Ich war beeindruckt und bewegt von Ihrer Inszenierung, das war sehr aufwühlend“, lobte der OB darin, als ob er den vorherigen zwei Theaterstunden mit der Aufführung von Milo Raus Inszenierung „Empire“ tatsächlich beigewohnt hätte.