Bochum. . Die Musik beflügelte die reformatorische Bewegung – diese Lieder wiederum schufen eine Tradition der protestantischen Musik. Ein Gastbeitrag.
Musik und Reformation: Das ist eine schöpferische Erfolgsgeschichte, die auf Gegenseitigkeit beruht. Musik als neues wesentliches Medium beflügelte die reformatorische Bewegung.
Die reformatorischen Lieder in deutscher Sprache wiederum regten die künstlerische Gestaltungskraft vieler Komponisten an, schufen eine reiche Tradition protestantischer Musik. So wurde der Gesang von vielen Reformatoren zur wirksamsten Waffe. Reformation begann dort, wo deutsche Lieder im Gottesdienst und auf den Straßen gesungen wurden.
Müntzer schuf revolutionäre Neuordnung der Gottesdienste
Martin Luther, Thomas Müntzer und andere Reformatoren wussten, dass Musik Antworten auf das gab, was als Wort Gottes im Gottesdienst verkündet wurde. So schuf Thomas Müntzer eine revolutionäre Neuordnung der Gottesdienste auf dem Fundament einer deutschen Gregorianik, während Luther den katholischen Messritus auf politischen Druck hin nur moderat modifizierte, indem er deutsche Lieder singen ließ.
Musik im Gottesdienst insgesamt öffnete andere Räume, die der reinen Wortverkündigung verschlossen bleiben mussten. So wurde Musik zur erklärten Dialogpartnerin und zur zweiten Säule der Verkündigung, gleich neben der Theologie.
Später werden Luthers Lieder von Schütz, Bach, Mendelssohn Bartholdy, Brahms und Reger künstlerisch verarbeitet, prägen in ihrer Fülle eine eindrucksvolle und des Geistes volle Geschichte von Musik in der Kirche aus. Diese große Tradition der Musik spielt auch heute noch eine zentrale Rolle in evangelischen Gottesdiensten, in Konzerten und Kulturveranstaltungen.
Und es gilt, diese Tradition fortzuschreiben, denn Reformation ist ein andauernder Prozess, der in, mit und unter Musik vonstatten geht. Verständlich, dass wir in diesem Fall schöpferische, komponierende Zeitgenossenschaft nicht zu scheuen brauchen wie der Teufel das Weihwasser.
So dürfen wir getrost noch manche Reformation erwarten – immer unter dem Lutherischen Leitmotiv „Dem Volk auf’s Maul zu schauen“, aber nicht nach dem Mund zu reden.
Über den Autor Ludwig Kaiser
Ludwig Kaiser, geboren 1958, ist Kantor, Konzertorganist und Komponist. 1984 legte er sein Kantoren-A-Examen, 1986 folgte sein Konzertexamen ab. Eine rege Konzert- und Vortragstätigkeit führt ihn ins Inland und Ausland, unter anderem nach Hamburg, Berlin, Frankfurt, Rom, Leck, New York, Chicago, Pietà, Athen, Istanbul und Hiroshima.
Seit Jahren kennzeichnen zahlreiche Uraufführungen auch eigener Kompositionen für Orgel, interaktive Ensembles, Stummfilm und Chor sein Schaffen. Seit 1996 ist Ludwig Kaiser Kantor an der Melanchthonkirche, Leiter der dortigen Kantorei und Veranstalter im „Kulturraum Melanchthonkirche“.
Seit 1999 ist Kaiser künstlerischer Leiter der Bochumer Tage für Neue Musik und seit 2008 Mitveranstalter des Orgelfestival Ruhr.