Bochum. . Die Anfänge der Reformation sind langsam verlaufen in Bochum. Das lag an der politischen Situation. Eine Ausstellung zeigt die Geschichte.
- Neue WAZ-Serie setzt sich mit der Reformation in Bochum auseinander
- Es hat Jahrzehnte gedauert, bis Protestantismus nach Bochum kam
- Ausstellung in Stiepel zeigt die geschichtlichen Hintergründe und Entwicklungen
Wenn man sich mit der Reformationsgeschichte in Bochum näher beschäftigt, wird schnell eines klar: „schlagartig“ kam der Protestantismus hierzulande nicht zu seinem Recht. Vielmehr hat es Jahrzehnte gedauert, bis sich der Gedanke der Reformation Bahn brach. Und das hing vor allem mit den politischen Rahmenbedingungen im 16. und 17. Jahrhundert zusammen.
So verfolgte das Herzogtum Jülich-Kleve-Berg, zu dem die Grafschaft Mark mit Bochum gehörte, in religionspolitischer Hinsicht eine mittlere Linie zwischen Katholizismus und Luthertum. Damit wurde den einzelnen Gemeinden ein gewisser Spielraum in der Gestaltung der religiösen Praxis eröffnet. „Charakteristisch für die Anfänge der Reformation in dieser Region waren die Einführung einer evangelischen Predigt, das Singen von Lutherliedern und die Feier des Abendmahls in beiderlei Gestalt, das heißt mit Brot und Wein“, weiß Arno Lohmann, Leiter der Evangelischen Stadtakademie.
Politische Verhältnisse verlangsamten Reformationsprozess
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Anders als in anderen Städten der Region sind die Anfänge der Reformation in Bochum, bedingt durch die politischen Verhältnisse, relativ spät, ab etwa 1570, anzusetzen. Und: Auch am Ende dieses Vorgangs, der sich bis weit ins 17. Jahrhundert erstreckte, herrschte keineswegs ein einheitliches protestantisches Theologie- und Liturgieverständnis vor. „Vielmehr kann man von einer außergewöhnlichen, multikonfessionellen Kultur sprechen“, so Prof. Dieter Scheler, Historiker der Ruhr-Universität/Bereich Mittelalterliche Geschichte.
Gut ablesen kann man diese Entwicklungen in der Ausstellung „Umbruch im Königreich Stiepel – von Luther bis zum Lutherhaus“ im kulturhistorischen Museum Haus Kemnade. Stiepel und der Herrensitz Kemnade lagen zwar geografisch in der Grafschaft Mark, standen aber als Unterherrschaft in formaler Lehensabhängigkeit vom Fürstentum Lippe – was zur Folge hatte, dass das Haus Kemnade Stiepel gegenüber dem Landesherren von der Mark in Grenzen souverän war. „Sie setzten den Richter in ihrer Herrschaft ein und präsentierten als Patrone den Pastor in Stiepel“, so Prof. Scheler, der an der Zusammenstellung der Ausstellung beteiligt war.
Ausstellung zeigt reformatorische Zusammenhänge
Die sehenswerte Schau, die übersichtlich und gut verständlich reformatorische Zusammenhänge deutlich macht, ist eine Kooperation zwischen dem Museum Haus Kemnade mit dem Förderverein „Haus Kemnade und Musikinstrumentensammlung Grumbt e.V.“ und der Evangelischen Gemeinde Stiepel. In einer gemeinsamen Anstrengung wurden originale Exponate, die zum Teil in der Gemeinde, zum Teil im Haus Kemnade lagerten, gesichtet und geordnet.
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Man sieht Faksimile-Drucke von Persönlichkeiten der Reformationszeit ebenso wie originale Liederbücher und Bibeln aus alter Zeit. Dazu kommen Musikinstrumente der Lutherzeit, aber auch historische Gottesdienst-Utensilien späterer Jahre. Natürlich dürfen Luther-Porträts nicht fehlen; darunter auch ein „heldnisch-deutschnationales“ Gemälde des Wittenberger Mönchs aus dem 19. Jahrhundert.
Stiepeler Dorfkirche als Ort der Versammlungen
Deutlich wird, wie sich mit der Reformation die Patronatsstellung der damaligen Herren auf Kemnade erheblich verstärkte, so dass sie als eigentliche Kirchenherren betrachtet werden konnten, etwa, indem sie die protestantischen Prediger einsetzten.
Als Versammlungsort für die Gläubigen diente die Stiepeler Dorfkirche; der wuchtige, hölzerne Patronatsstuhl von 1700, der einst in der Kirche stand, ist nun in einem Raum des Hauses Kemnade heimisch. Die Ausstellung skizziert die besondere Situation der Reformation und ihre Auswirkungen in Stiepel, aber es lassen sich ebenso weitreichendere Zusammenhänge ablesen.
Autoren dokumentieren die Vergangenheit
Einen guten Überblick über die frühe Geschichte der Reformation hierzulande vermittelt der Band „Bochumer Fenster zur Vergangenheit. Die Reformation in Bochum und der Grafschaft Mark“. Herausgeber ist die Evangelische Kirche, entwickelt und zusammengestellt hat das Buch die Evangelische Stadtakademie.
Im Rahmen der Vorbereitungen zum 500. Reformationsjubiläum fand bereits 2015 in Kooperation der Evangelischen Stadtakademie mit dem Zentrum für Stadtgeschichte und dem Katholischen Forum die mit 1000 Interessierten gut besuchte Veranstaltungsreihe „Bochumer Fenster zur Vergangenheit“ statt. Damals ging es in fünf Vorträgen um die mittelalterliche Geschichte der fünf ältesten Bochumer Gotteshäuser.
„Die positive Resonanz auf diese erste Themenreihe ermutigte die Veranstalter, die ,Bochumer Fenster zur Vergangenheit’ im Herbst 2016 fortzusetzen und in einem zweiten Teil die Einführung der Reformation näher zu untersuchen“, so Arno Lohmann, Leiter der Ev. Stadtakademie.
Die wechselvolle Entwicklung in unserer Region erhellt und dokumentiert der Band „Die Reformation in Bochum und der Grafschaft Mark“. In gut lesbaren Beiträgen setzen sich die Autor/innen Stefan Pätzold, Michael Basse, Clemens Kreuzer, Ralf-Peter Fuchs, Dieter Scheler und Katharina Breidenbach aus verschiedenen Blickwinkeln mit dem Thema auseinander.