Bochum. . Eine kranke Seele kann auch zu chronischen Rückenleiden führen. Der WAZ-Medizindialog zeigte am Donnerstag das schmerzhafte Wechselspiel auf.
Den rechten Arm nach unten strecken. Den Kopf nach links drehen und zur hochgezogenen linken Schulter dehnen. Zehn Mal. Dann das Gleiche seitenverkehrt. „Aaah“, mäandert ein leises, kollektives Stöhnen durch den Hörsaal. Viele Leser, so scheint es, sind verspannt. Umso spannender, was der WAZ-Medizindialog an Neuigkeiten und Ratschlägen zu bieten hat.
Deutschland hat Rücken. Jede fünfte Frau und jeder siebte Mann klagt über chronische Beschwerden. Vielfach ist seelisches Leid die Ursache für die körperliche Pein, berichtete Prof. Georg Juckel, Ärztlicher Direktor der LWL-Universitätsklinik, beim WAZ-Medizinforum am Donnerstagabend im gut gefüllten St.-Josef-Hörsaalzentrum. 50 Prozent aller Patienten mit Depressionen klagen zugleich über dauerhafte Rückenschmerzen: und das ohne die üblichen Verdächtigen wie Verschleiß oder verschlissene Bandscheiben. Botenstoffe im Gehirn sind dafür verantwortlich. „Ärzte sind dann oft ratlos und sagen: ,Sie können gar keine Schmerzen haben’“, so Juckel. Und doch sind sie da – und können wirksam bekämpft werden, tröstet der Psychiatrie-Professor: „Antidepressiva helfen auch gegen den Schmerz. Doppelt heilsam sind zudem Entspannungsverfahren wie Yoga oder Autogenes Training.“
Sieben Kilometer täglich
Dass sich seelische Schmerzen übelst im Rücken bemerkbar machen können, beobachtet auch Prof. Tobias Schulte, Direktor der Klinik für Orthopädie am St.-Josef-Hospital. Entscheidender sei aber der Bewegungsmangel. Täglich sieben Kilometer zu Fuß empfiehlt die Weltgesundheitsorganisation. Viele Menschen bringen es aber nicht mal auf ein oder zwei Kilometer. Deshalb sei es auch „ein Märchen“, dass körperliche Arbeit verstärkt zu Rückenleiden führe. Die wahre Risikogruppe seien die „Schreibtischtäter“. Genetische Veranlagung und die immer älter werdende Bevölkerung tragen zusätzlich dazu bei, dass Rückenschmerzen zur Volkskrankheit avanciert sind.
„Wichtig ist zu Beginn, den kranken Rücken zu ,verstehen’“
Dagegen stemmt sich das Katholische Klinikum seit einigen Monaten mit dem „Bochumer Rückenkonzept“, das den Patienten ganzheitlich zugute kommen soll. „Wichtig ist zu Beginn, den kranken Rücken zu ,verstehen’“, betont Tobias Schulte. Darauf aufbauend, folgen wie bei einer Pyramide das aktive Training, soziale Maßnahmen, bei Bedarf Medikamente, Spritzen-Therapien und – zuletzt – eine Operation. „Von konservativ bis operativ, alles aus einer Hand: Das ist das Bochumer Konzept, das so nur eine Uni-Klinik vorhalten kann“, wirbt der Klinikdirektor. Eine Überweisung des Haus- und Facharztes an die Hochschul-Ambulanz reiche als Patient aus.
Und was ist mit der kranken Seele? Auch sie kommt in der Pyramide zur Geltung. Denn abseits aller medizinischen Kunstfertigkeit gelte es, das Seelenheil im Blick zu haben. Schulte: „Zufriedenheit, privat und beruflich, ist als Schmerz-Prävention enorm wichtig.“
>> Vorträge stehen auf der LWL-Internetseite
Die Vorträge des WAZ-Medizindialogs sind auf der Internetseite des LWL-Universitätsklinikums nachzulesen. Die Adresse: www.lwl-uk-bochum.de
Das nächste WAZ-Nachtforum im Knappschaftskrankenhaus Langendreer folgt am 23. November. Die Augenklinik unter der Leitung von Prof. Dick rückt die innovative Augenversorgung in den Blickpunkt.
Für die Uni-Klinik und die WAZ ist es ein besonderer Abend: Es ist das 50. WAZ-Nachtforum seit dem Beginn der Medizinreihe im Jahr 2007.