Bochum. . Netz-Händler gehen vermehrt dazu über, auch Läden vor Ort zu eröffnen. Für die heimischen Händler ist dies eine weitere Herausforderung.

  • Heimische Händler ächzen seit langem unter der Konkurrenz im Internet
  • Nun gehen Online-Händler dazu über, in den Städten auch Läden zu unterhalten
  • Auf den stationären Handel kommen damit neue Herausforderungen zu

Platz genug, um die Ware zu präsentieren, gibt es eigentlich. Bochums Modehaus Nummer eins hat über seine sechs Etagen eine Verkaufsfläche von 14 000 Quadratmeter. Das reicht aber nicht, hat sich Inhaber Andor Baltz gedacht. Seit kurzem können sich Kunden auch im Internet-Shop des Traditionshauses einkleiden – in Weitmar, Wuppertal oder Wladiwostok. Und das, ohne einen Schritt in Bochums Innenstadt machen zu müssen. Und nicht nur der Modehändler hat den offenbar unverzichtbaren Weg ins Internet gesucht. Mit ihm sind zahlreiche Einzelhändler auch in der virtuellen Welt auf der Jagd nach Kunden und Umsatz.

In einer Verteidigungshaltung

Sie alle wähnen sich dabei in einer Verteidigungshaltung gegenüber der immer größer werdenden Konkurrenz im Netz. „Wir zahlen Steuern vor Ort, wir gestalten die Innenstadt mit, wir beteiligen uns am sozialen Leben“, sagt Schuhhändler Frank Beckmann. Der Online-Handel mache dies nicht. Tatsächlich beklagt der stationäre Handel seit langem ungleiche Wettbewerbsbedingungen im Kampf gegen die Online-Konkurrenz – angefangen von Ladenöffnungszeiten über Personal- und Mietkosten bis hin zu den Problemen mit Verkehrswegen und Parkmöglichkeiten.

„Wir zahlen Steuern vor Ort, wir gestalten die Innenstadt mit, wir beteiligen uns am sozialen Leben“, sagt Schuhhändler Frank Beckmann.
„Wir zahlen Steuern vor Ort, wir gestalten die Innenstadt mit, wir beteiligen uns am sozialen Leben“, sagt Schuhhändler Frank Beckmann. © Klaus Pollkläsener

Aber nun spitzt sich die Lage noch einmal zu: Der Online-Handel entdeckt das Ladengeschäft. Online geht Offline. Es ist geradezu eine Kampfansage.

In Bochum gibt es dafür zwei markante Beispiele: Europas größter Optiker, Mister Spex, hat ein Geschäft im Ruhrpark eröffnet. Und „11teamsports“, Deutschlands größter Onlineshop für Fußball und Teamsport, hat einen Laden im Bermuda-Dreieck bezogen. Am Parkhaus P8 nutzt er zudem den früheren Skaterpark für einen Kunstrasenplatz.

Strahlkraft fürs Marketing nutzen

„Eine sensationelle Location“, nennt 11-Teamsports-Marketing-Chef Marc Meurer den Kicker-Käfig, dessen Bekanntheit und Strahlkraft das Unternehmen fürs Marketing nutzten will. Nicht zuletzt, um bekannter zu werden, hat der Senkrechtstarter unter den Sportartikel-Händlern in Berlin-Charlottenburg eine Vorzeigefiliale eröffnet. Im Ruhrgebiet will er den nächsten Markt über die Präsenz vor Ort erobern. Online und Offline zu bedienen, seien kein Widerspruch, so Meurer. Eher zwei Seiten der gleichen Medaille.

„Multichanneling“, alle möglichen Arten des Vertriebs zu nutzen, wird bei den Schwaben groß geschrieben. Denn: „Wir wollen nah dran sein am Kunden“, so Meurer. Nah dran heißt: vor Ort. Genau dort, wo der stationäre Einzelhandel seine Stärke hat. Und sich nun auch in seinem originären Geschäft bedroht sehen muss?

Auf schiefer Ebene

„Manchmal kriegt man es mit der Wut“, räumt Matthias Martens vom Spielwarengeschäft Brummbär ein. Bislang erinnerten die Wettbewerbsbedingungen nämlich an eine schiefe Ebene. Nun gelten für die Online-Konkurrenten, die Läden eröffnen, vor Ort zwar die gleichen Regeln – wie etwa die Öffnungszeiten. Aber da der stationäre Handel sein Geschäft nur abrundet, fallen die zeitlichen Beschränkungen weniger ins Gewicht. Und: „Wir haben es mit ganz anderen Playern zu tun“, sagt Marc Mauer, Juwelier, Immobilienbesitzer und Vorstand in der neuen Interessengemeinschaft Bochumer City (IBO).

Jens Peter Klatt, Vizepräsident Multichanneling von Mister Spex, ist zufrieden nach den ersten Wochen im Ruhrpark.
Jens Peter Klatt, Vizepräsident Multichanneling von Mister Spex, ist zufrieden nach den ersten Wochen im Ruhrpark. © Mister Spex

Auch der Brillenhändler Mister Spex, dessen Vizepräsident Multichanneling Jens Peter Klatt nach den ersten Wochen mit den Geschäften im Ruhrpark zufrieden ist, setzt auf den neuen Trend. „Im Handel setzt sich die Erkenntnis durch, dass Omni-Channeling zum Erfolg führt.“ Offline gucken, online kaufen, das war gestern. Beides zu bieten, ist offenbar wichtig. Vor allem in bestimmten Segmenten.

Bezug zum Verkäufer wichtig

„Es gibt bestimmt Produkte, in denen der persönliche Bezug zum Verkäufer besonders wichtig ist“, sagt Klatt. Dazu gehöre auch die Brille. Nachdem Mr. Spex bislang schon Kontakt über 560 Partner-Optiker zum Kunden gehalten hat, die etwa Augenmessungen für den Online-Händler übernehmen, hat dieser nun damit begonnen, auch ein eigenes Netz mit aufwändig gestalteten Filialen zu errichten.

„Ohne Frequenz werden wir keine Chance haben“, ist Modehändler Andor Baltz überzeugt.
„Ohne Frequenz werden wir keine Chance haben“, ist Modehändler Andor Baltz überzeugt. © Klaus Pollkläsener

Die Konkurrenz des heimischen Handels steht also buchstäblich vor der Tür und profitiert damit von allen Maßnahmen der Geschäftsleute, das Flanieren, Gucken und Kaufen vor Ort so attraktiv wie möglich zu machen. „Im Mittelpunkt steht das Erlebnis, in die Stadt zu kommen“, beschreibt IBO-Mitglied Tim Thelen das Ziel heimischer Unternehmen. „Ohne Frequenz werden wir keine Chance haben“, ergänzt Andor Baltz.