Bochum. . Jeder zweite Patient nimmt seine Medikamente falsch ein. Ärzte, Apotheker und die WAZ informieren über den richtigen Umgang mit Arzneien.
- Jeder zweite Patient nimmt seine verschriebenen Medikamente falsch oder gar nicht ein
- Fach- und Hausärzte, Apotheker und die WAZ in Bochum starten eine Aufklärungskampagne
- Einem Info-Abend am 11. Oktober im Museum folgt eine Woche später eine Telefonsprechstunde
Kürzlich rief eine Tochter in heller Aufregung bei Dr. Inka Krude an. Ihre hochbetagte Mutter stehe kurz vor einem Herzinfarkt. Ob sich die Apothekerin mal Mamas Medikamente anschauen könne. „Tatsächlich hatte sich die Seniorin ihre Arzneien nach Lust und Laune und eigenem Gutdünken selbst verordnet“, schildert die Pharmazeutin. Einen Cholesterinsenker, vom Hausarzt regelmäßig verschrieben, hatte die Patientin mutmaßlich seit Jahren nicht mehr eingenommen. Ein Einzelfall? „Im Gegenteil“, wissen Dr. Michael Tenolt und Dr. Christian Möcklinghoff, Vorstände des Medizinischen Qualitätsnetzes (MedQN).
Über 50 Prozent der Patienten nehmen Medikamente falsch ein
Mit einem Info-Abend und einer WAZ-Telefonsprechstunde (Bericht unten) wollen der Ärzteverbund, die Bochumer Apotheker und die WAZ auf einen lebensbedrohlichen Missstand aufmerksam machen. „Wissenschaftlich gesicherte Studien weisen aus, dass über 50 Prozent der Patienten ihre Medikamente falsch einnehmen. Das spiegelt sich in unseren täglichen Erfahrungen wider“, sagt Gerhard Seeliger, Facharzt für Innere Medizin. Verschiedene Ärzte verschreiben – im gegenseitigen Unwissen – verschiedene Arzneien, deren Wirkungen sich aufheben und erst richtig krank machen. Oder schwanger. Etwa bei Frauen, die Johanniskraut und die Pille einnehmen. Andere haben längst den Überblick über die Masse an bunten Helferchen daheim verloren und schlucken, was ihnen gerade in die Hände fällt.
„Die Unwissenheit und Sorglosigkeit sind atemberaubend“, sagt Seeliger und berichtet von einem Rentner, der am Stammtisch über seine Schlafstörungen klagte. Ein Zechkumpan brachte ihm seine Tabletten mit: „Die helfen!“ Kein Wunder. Seeliger: „Es handelte sich um schwere Antidepressiva.“
Ferndiagnose von „Dr. Google“
Hinzu gesellt sich „Dr. Google“. Heißt: Ferndiagnose per Internet. Deren Trefferquote liege bei weniger als 30 Prozent, warnt Gerhard Seeliger. Unvorstellbar die Menge an falschen, mitunter gefährlichen Pillen, Kapseln & Co, die mit der Online-Recherche einhergehen.
Gravierend unterschätzt würden dabei pflanzliche Präparate, warnt Inka Krude. Auch Wirkstoffe aus der Natur könnten gefährliche Wechsel- und Nebenwirkungen entfalten. Vor allem, wenn Arzt und Apotheker nichts von ihnen wissen. Die Apothekerin hält ihre Mitarbeiter zwar an, bei jedem Kunden nachzufragen: „Nehmen Sie noch andere Präparate?“ Die Standardantwort laute aber: „Nein.“ Obwohl dies selten stimme. Und obwohl „selbst die regelmäßige Zubereitung eines Blasen- und Nierentees bei der Medikation wichtig ist“. Wer mit Ja antwortet, sei oft nicht viel schlauer. Krude: „Auf die konkrete Frage nach den Arzneien heißt es: ,So kleine Gelbe und so längliche Blaue.’“
>>>Info-Abend und WAZ-Telefonsprechstunde
„Medikamente können Ihr Leben verändern“, lautet das Motto des Info-Abends, zu dem das Medizinische Qualitätsnetz (MedQN) am Mittwoch, 11. Oktober, einlädt.
Der Titel ist doppeldeutig zu verstehen. So heilsam Arzneien bei vielen Krankheiten oder Beschwerden sind, so fatal können die Wechselwirkungen bei falsch eingenommenen Präparaten sein. „Wir wollen darüber informieren, wie es richtig geht, und dafür sensibilisieren, sorgsam mit Medikamenten umzugehen“, sagen Dr. Michael Tenholt und Dr. Christian Möcklinghoff, Vorstände des Netzwerks von 160 Bochumer Fach- und Hausärzten.
Möcklinghoff moderiert die Veranstaltung im Kunstmuseum an der Kortumstraße 147. Referenten sind Dr. Inka Krude, Chefin der Alten Apotheken auf dem Bongard-Boulevard, und der Bochumer Facharzt für Innere Medizin, Gerhard Seeliger. Beginn ist um 17 Uhr. Die Teilnahme ist kostenlos. Eine vorherige Anmeldung ist nicht erforderlich.
Experten sind ab 14.30 Uhr erreichbar
Eine Woche später – am Mittwoch, 18. Oktober – richtet die WAZ eine Telefonsprechstunde ein. Ab 14.30 Uhr stehen zwei Experten für die Fragen unserer Leserinnen und Leser zur Verfügung. Dabei wird es insbesondere darum gehen, wie Medikamente korrekt eingenommen werden und wie Ärzte, Apotheker und Patienten gemeinsam sicherstellen können, dass es zu keinen gefährlichen Wechselwirkungen kommt.
Die WAZ-Telefone sind bis 16 Uhr geschaltet. Die Gesprächspartner und ihre Rufnummern werden rechtzeitig veröffentlicht.