Bochum. . Der Kortländer-Kiez hat am Samstag zum Straßenfest geladen. Man will Skeptiker überzeugen – denn nicht jedem gefällt der Wandel des Viertels.
- Kortländer-Kiez ist kein Geheimtipp mehr und wird als „alternatives Bermuda-Dreieck“ bezeichnet
- Probleme gibt’s manchmal mit Anwohnern, denen die Kneipen abends zu laut sind
- Wunsch der Wirte: Stadt solle Dialog zwischen ihnen und Nachbarn vermitteln
Vor wenigen Jahren war es hier still: Es gab einen Döner-Imbiss, einen libanesischen Kulturverein und den traditionsreichen Irish Pub Paddys. Heute locken Szene-Läden ein studentisches Publikum in den „Kortländer-Kiez“ und alternative Kneipen wie die Trinkhalle sind längst kein Geheimtipp mehr. Manche sprechen gar von einem „alternativen Bermuda-Dreieck.“
„Gentrifizierung“, raunen andere und fürchten steigende Mieten durch die hippe Aufwertung des Viertels. Deshalb geht es auch beim dritten Kortländer-Fest nicht nur um vegane Bratwurst, seltene Biere und Shisha-Rauch: Der Kiez will zeigen, wie bunt er geworden ist und auch Skeptiker mit dem heiteren Straßenfest überzeugen.
Eines ist Frauke Burgdorff deshalb ganz besonders wichtig: „Wir wollen kein Bermuda-Dreieck. Das heißt, dass man hier auch mal Party macht, aber trotzdem die Krankenschwester früh zur Arbeit aufstehen kann“, so die Vorsitzende des Vereins, der das Fest ausrichtet. Dementsprechend feiert der Kortländer nicht bis tief in die Nacht, sondern an einem sonnigen Nachmittag bis in einen lauen frühen Abend hinein: Verschiedene Stände bieten Kleidung an und Schallplatten, es duftet nach Grillfleisch und -fleischersatz und auf der Bühne sorgen Bands wie die Punker von „Und mir der Mond“ für Stimmung.
Vom Café Eden aus hat man einen entspannten Blick auf die Bühne. Das vereinsbetriebene Lokal zog vor fast vier Jahren in dieselbe Lokalität, wo auch der Ehrenfelder-Szenetreff Goldkante seine ersten Jahre verbrachte. Melina Loschen blickt zufrieden auf das bunte Treiben auf der Straße. „Dass sich das hier so entwickelt, war damals nicht abzusehen“, sagt das Vorstandsmitglied. Die Kehrseite dieser Entwicklung, und zwar bei allen Läden hier: Beschwerden von Nachbarn und Besuche des Ordnungsamts. Die Wirte sprechen nicht gerne darüber, Besucher des Kiezes wissen es trotzdem. Wie soll man in Zukunft damit umgehen?
Nicht noch mehr Szene-Läden
„Was die Beschwerden angeht, wäre es wünschenswert, wenn die Stadt einen Dialog vermitteln würde“, sagt Loschen. Kompromisse könne man finden, glaubt sie. Und noch mehr hippe Szene-Läden brauche der Kiez nun auch nicht mehr, findet sie: „Wichtig ist, dass man die Alteingesessenen hier nicht vertreibt.“ Man schätzt das Viertel ja auch gerade wegen seines multikulturellen Charmes, auch wenn es eher ein Nebeneinander, denn ein Miteinander sei, wie manche hier finden.
Bilal Ellahi vom libanesischen Kulturverein „Jugend der Zukunft“ sieht selbst das schon als Gewinn: „Gerade von uns Libanesen haben viele Leute ein schlechtes Bild.“ Doch gegen Vorurteile hilft persönlicher Kontakt. Beim Kortland-Fest kommt der am besten an der Shisha zustande, den duftenden arabischen Wasserpfeifen, die man stets gemeinsam raucht. Klar, seit hier mehr los ist, gebe es auch ab und an Ärger mit Betrunkenen, das ärgert Ellahi manchmal. Was aber zählt: „Das Viertel ist auf jeden Fall lebendiger geworden.“
Ein buntes Wohnviertel – oder ein Szene-Kiez, in dem auch gewohnt wird? Der Kortländer bleibt irgendwo dazwischen. Für Burgdorff vom Kortländer e.V. bedeutet das, dass Kompromisse immer wieder ausgehandelt werden müssen. Dazu gehört auch, dass das Straßenfest um 9 Uhr abends endet. Besser ist das: Als das Fest letztes Jahr nicht pünktlich endete, wurde schon eine Viertelstunde später die Polizei gerufen.