Bochum.. Die Bochumer Wohnstätten warnen vor „Abzocke“ bei Schlüsseldiensten. Ein Mieter (88) in Hamme zahlte kürzlich 320 Euro für das Öffnen seiner Tür.
„Türöffnung ab 59 Euro“, steht auf dem Aufkleber, den ein namenloser Schlüsseldienst an Haustüren in Hamme gepappt hat. Ein 88-jähriger Mieter wählte die angegebene Mobilnummer – und war wenig später 320 Euro los. Anlass für die Bochumer Wohnstätten, vor „dieser Betrugsmasche“ zu warnen.
„Ungeheuerlich, wie gerade ältere Menschen von Schlüsseldiensten abgezockt werden“, ärgert sich Angelika Möller. Die 63-Jährige ist langjährige Seniorenbetreuerin der Genossenschaft mit 2700 Wohnungen. Vor Jahren, erzählt sie, habe eine Mieterin 600 Euro für eine Türöffnung berappt. Der aktuelle Fall sei noch perfider. Denn: „Die ominöse Firma tut so, als würde sie in unserem Namen auftreten.“
88 Jahre alter Mieter hatte sich ausgesperrt
Genau das wurde dem 88-jährigen Mieter in Hamme zum Verhängnis. Aus Versehen zog er die Tür seiner Erdgeschosswohnung an der Feldsieper Straße zu. Der Wohnungsschlüssel blieb drinnen. Der ausgesperrte Rentner erinnerte sich an den Sticker, der seit Tagen draußen neben der Klingel klebte. Angelika Möller: „Er war der festen Überzeugung, dass die Notdienst-Nummer zu den Wohnstätten gehört.“
Anruf beim Schlüsseldienst. Der erschien prompt – und forderte von dem Bewohner 320 Euro. „Für eine simple Türöffnung!“, zürnt die Betreuerin. Der Schwiegersohn beschwerte sich wenig später bei den Wohnstätten. „Er fragte in einer Mail: Was habt ihr denn für Aufkleber an der Tür? Erst jetzt wurden wir darauf aufmerksam, dass ein Schlüsseldienst an unseren Häusern wirbt – nicht nur an der Feldsieper Straße, sondern im gesamten Bereich Hamme.“
Schlüsseldienst zeigt sich verschlossen
Nun wählte auch Angelika Möller die Handynummer. „Ich wollte den Firmennamen erfragen. Aber das Gespräch wurde sofort beendet.“ Die Wohnstätten handelten. Unverzüglich wurden die Aufkleber entfernt. Auf der Facebook-Seite wird vor dem Schlüsseldienst gewarnt: „Achtung, Abzocke! Sollten Sie auch an Ihrer Tür einen solchen Aufkleber sehen, so melden Sie uns dies bitte und reißen ihn im besten Fall auch gleich ab.“
Auch auf WAZ-Anfrage zeigte sich der Schlüsseldienst am Dienstag verschlossen. Man firmiere „in der Bochumer Innenstadt“. Kein Kommentar zur 320-Euro-Rechnung an der Feldsieper Straße und zur Kritik am Geschäftsgebaren.
Genossenschaft übernimmt Hälfte der Rechnung
Derweil appelliert Angelika Möller an die älteren Mieter, nicht auf schwarze Schafe hereinzufallen. „Viele Senioren schämen sich, ihre Kinder zu verständigen, wenn sie sich ausgesperrt haben. Stattdessen rufen sie einen Schlüsseldienst – und zahlen kräftig drauf.“
Der Mieter an der Feldsieper Straße kann auf die Unterstützung der Wohnstätten zählen. Angelika Möller: „Der Mann lebt von einer schmalen Rente. Deshalb haben wir uns entschlossen, die Hälfte der 320 Euro zu übernehmen.“
>>> SERVICE: Schlüsseldienste – Was Verbraucherschützer raten
Polizei und Verbraucherschützer schlagen Alarm. Trotz ständiger Warnungen zocken unseriöse Schlüsseldienste weiterhin wahnwitzige Beträge ab. Ging es vor Jahren noch um Rechnungen zwischen 250 und 400 Euro, „werden inzwischen auch 1000 Euro und mehr verlangt“, berichten die Experten.
47 000 Einträge verzeichnet Google beim Suchbegriff „Schlüsselnotdienst Bochum“. Dabei, so wissen Branchenkenner, gibt es nur eine Handvoll Anbieter, die tatsächlich in Bochum firmieren. „Wählen Sie unbedingt ein ortsansässiges Unternehmen. Das reduziert die mitunter extrem hohen Anfahrtskosten“, empfiehlt die Verbraucherberatung. Und: „Vorsicht bei Firmen, die mit ,AAA’ beginnen. Die wollen in den Suchverzeichnissen nur ganz vorne stehen, um mehr Aufträge zu bekommen“, warnen die Verbraucherschützer.
80 bis 120 Euro, ab 18 Uhr und am Wochenende das Doppelte: Damit muss kalkulieren, wer sich ausgesperrt hat. „Vereinbaren Sie bereits am Telefon einen Festpreis. Eine seriöse Firma lässt sich darauf ein“, weiß die Verbraucherberatung.
Geprellte Kunden sollen Anzeige erstatten
Doch die schwarzen Schafe seien zahlreich. Sie stimmen zwar einem Komplettpreis zu, machen dann aber angebliche Zusatzleistungen geltend. „Gern werden Zylinder oder ganze Schlösser ausgewechselt, ohne dass dies nötig wäre“, beobachtet die Polizei.
Wird nicht sofort bezahlt, werden die Bewohner genötigt, zum Geldautomaten zu fahren. „Einer Studentin in Bochum wurde von einem Monteur gedroht, die Tür wieder zuzumachen. Das ist strafrechtlich relevant“, betont die Kripo, die sich wünscht, dass mehr geprellte Kunden Anzeige erstatten.
Vorsorge leistet der, der sich vorbereitet. Heißt: die Nummer einer vorab geprüften, seriösen Firma bei sich oder im Handy trägt. Oder noch besser: einen Schlüssel bei einer Vertrauensperson deponiert.