Bochum-Hamme.. Hier im Bochumer Norden ist das Leben noch lebenswert. Lebenswerter jedenfalls als im angesagten Ehrenfeld – findet zumindest Sänger Martin.

Das Straßenbild ist hier nur mäßig gepflegt. Wem sein Nummernschild lieb ist, sollte sein Auto nicht allzu lange auf dem Amtsplatz parken. Und wer im Herzen des Stadtteils aus der 306 aussteigt, den begrüßt ein krakeliger Schriftzug auf einer grauen Mauer: „Fuck Police“.

Doch gerade hier, im rauen Bochum-Hamme ist das Leben noch lebenswert – und der Lokalteil noch lesenswert. So singen es zumindest die Shitlers, Kult-Punkband aus Bochum, die dem Stadtteil jetzt seine erste eigene Hymne auf den verbrauchten Leib geschrieben haben.

Die Shitlers haben Kultstatus

„Es ist so viel geschehen: Ehrenfeld ist scheiße, Weitmar find’ ich nicht mehr schön“, singt die Band. Im Musikvideo posieren die Jungs im Hammer Park, vor der Speckschweiz Arena und am kleinen Bahnhof Hamme, von dem sich jeder Einwohner fragt, warum es den immer noch gibt, aber keine Fragen stellt und sich einfach darüber freut. Irokesen-Schnitt, Lederjacken mit Buttons und andere Punker-Devotionalien sucht man bei den drei Jungs vergebens – eher sehen sie aus wie eine Gruppe harmlos hüpfender Studenten. Doch weit gefehlt.

Die Shitlers haben Kultstatus: In den Backstage-Räumen von Punk-Festivals bringen sie ihre vermeintlich lockeren Punker-Kollegen regelmäßig an den Rand des Nervenzusammenbruchs. Und selbst in der HipHop-Szene schätzt man die Band wegen ihrer Punk-Persiflagen beliebter Deutschrap-Klassiker so sehr, dass ein Szene-Magazin die Band sogar als Kolumnisten beschäftigt.

Band hat schon vor Jahren über Bochum gerappt

Aber warum ein Song über Bochum-Hamme? „Wir mussten noch das Album vollkriegen und dachten, wir könnten mal wieder einen Song über Bochum machen“, sagt Sänger Martin Shitler. „Und jetzt, nachdem Ehrenfeld komplett gentrifiziert ist, bleibt ja nur noch Hamme.“ Außerdem verbindet ihn noch eine persönliche Geschichte mit dem Stadtteil: Vor knapp zehn Jahren hatte er, erzählt er, hier eine gemeinsame Pizzabude mit Band-Kollege Frank.

Die drei Bandmitglieder vor dem Intershop in Bochum.
Die drei Bandmitglieder vor dem Intershop in Bochum. © Shitlers | Unbekannt

Dem Kiez ums Schauspielhaus hatte die Band übrigens schon vor Jahren einen Song gewidmet: In „Bochumer Stadtteile“ rappen sie gegen die Veränderung des Stadtteils in einen vermeintlichen Szene-Kiez. „Früher gab’s da für nur zwei Euro ‘n Pils und ‘ne Brühwurst“, erinnert sich Martin wehmütig. Heute gibt es dort Mate-Tee und veganes Eis. Gefeiert werden die Punker in den dortigen Szene-Läden trotzdem. „Dabei haben wir uns sehr despektierlich über diese Läden geäußert, es hat alles nichts gebracht“, sagt Martin müde.

Aber läuft das Viertel dank des Hamme-Songs nicht auch Gefahr, zum neuen Szene-Kiez zu werden? Martin bleibt hoffnungslos: „Wenn wir einen Song über einen Stadtteil schreiben, ist es schon zu spät.“ Wir werden uns daran erinnern: Wenn in Hamme jemals eine Bratwurstbude einem Veggie-Laden weichen muss – Schuld sind die Shitlers. Danke.

>>> Sänger Martin ist Soziologe und forscht

  • Das Lied „Bochum Hamme“ von den Shitlers ist samt Musikvideo auf Youtube zu finden. Vergangenen Monat erschien auch das jüngste Album der Shitlers: „This is Bochum – not L.A.“
  • Sänger Martin ist neben seiner Tätigkeit als Punk-Ikone tatsächlich Soziologe. Er forscht über Subkulturen und hat Sammelbände über deutsche Punk- und HipHop-Kultur herausgegeben.
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