Bochum. In der Zeitschrift „Neu in Deutschland“ berichten Flüchtlinge aus ihrem Leben. Mit Plakaten werben sie für ein friedliches und vielfältiges Zusammenleben.
- Die Zeitschrift „Neu in Deutschland“ erscheint seit 2015, Flüchtlinge schreiben alle Artikel
- Sie berichten von ihrer Flucht und von ihrem Leben in der neuen Heimat: mal ernst, mal humorvoll
- Das Projekt ist für den Deutschen Integrationspreis nominiert; die Plakataktion ist Teil der Bewerbung
Seit Freitag blicken sie von Litfaßsäulen und Plakatwänden, mal lachend, mal ernst, mal träumerisch: Frauen und Männer, die aus ihrer Heimat fliehen mussten und nun hier in Bochum leben. Auf jedem Plakat sind ein oder zwei Gesichter abgebildet, dazu ein Zitat. „Ich atme Freiheit“, steht auf einem, „Ich staune über die Kraft und Präsenz der Frauen in Europa“, auf einem anderen. Die Aktion ist nicht nur ein Gruß an die Bochumer, sie ist auch Teil der Bewerbung um den Deutschen Integrationspreis, für den die Zeitschrift „Neu in Deutschland“ (Nid) als einziges Ruhrgebietsprojekt nominiert ist.
Nid erscheint seit 2015. Herausgeberin und Projektleiterin ist die Bochumer Autorin Dorte Huneke-Nollmann. Die Zeitschrift enthält Texte mit Erinnerungen von Geflüchteten, Gedanken über ihre Zukunft und kleine Beobachtungen aus dem neuen deutschen Alltag. Die Flüchtlinge schreiben selbst, und zwar auf Deutsch.
Projekt stand schon kurz vor dem Scheitern
„Wir wollen zeigen, dass die Menschen zwar unterschiedlich sind, aber oft die gleichen Empfindungen teilen“, sagt Dorte Huneke-Nollmann. Viele „große“ Themen haben eben keine Nationalität. So schreibt Issam Al Najm Gedichte über Heimat, Liebe, Freundschaft und Menschlichkeit. Nur die Religion klammert er aus, ganz bewusst. „Ich habe meine Meinung dazu“, sagt der Syrer – doch öffentlich äußern möchte er sie nicht. Zu wissen, dass er das theoretisch tun dürfte, hier in Deutschland, reicht ihm vollkommen aus.
Doch gerade diese Freiheit, die viele der Teammitglieder in ihrer Heimat nicht kannten, hätte das Projekt fast scheitern lassen: Die Weltpolitik sei ihnen plötzlich „auf den Redaktionstisch gefallen“, so Dorte Huneke-Nollmann. Man stritt miteinander über Richtig und Falsch, Gut und Böse, immer erbitterter, bis irgendwann der Punkt erreicht war, an dem eine Entscheidung getroffen werden musste: „Wir können jetzt aufhören, oder wir besinnen uns auf ein gemeinsames Ziel.“
Preis wird im Oktober vergeben
Sie haben weitergemacht, sich auf ein Manifest geeinigt, das gemeinsame Werte aufzählt: Der Wunsch, in einer demokratischen, friedlichen Gesellschaft zu leben, gehört ebenso dazu wie die Liebe zu Kunst und Kultur. Diese Werte finden sich auch auf den Plakaten wieder, die bis zum 24. August an 81 Großflächen und 176 Litfaßsäulen im Stadtgebiet hängen. Gestaltet wurden sie von der Fotografin Sandra Schuck und der Grafikerin Katja Prien. Die Produktionskosten spielte eine Crowd-funding-Kampagne ein; die Stadt und die Firma Ströer stellten Plakatflächen kostenlos zur Verfügung. Zudem unterstützen viele lokale Partner die Aktion.
Die Zeitschrift selbst erscheint aktuell als Sonderausgabe, eingeklinkt in drei regionale Magazine, im Ruhrgebiet, in Köln und Wuppertal. Vielleicht gewinnen sie mit ihrer Werbung für Demokratie, Frieden und Vielfalt im Oktober den Integrationspreis. Erst einmal aber werden sie öffentlich wahrgenommen: weniger als Flüchtlinge – mehr als Neu-Bochumer, die etwas zu sagen haben.