Bochum. Das Palliativnetz Bochum blickt auf erfolgreiche zehn Jahre zurück. 1800 Sterbende werden jährlich betreut – bei stadtweit 4500 Sterbefällen.


Die Begleitung und Versorgung todkranker Menschen in Bochum hat deutliche Fortschritte gemacht. „Es gelingt zunehmend besser, zumindest für die dringlichen Fälle einen Platz im Hospiz oder in einer Klinik bereitzustellen“, sagt Dr. Bettina Claßen vom Vorstand des Palliativnetzes Bochum, das in diesen Wochen auf sein zehnjähriges Bestehen zurückblickt.

Zwar ist das Hospiz St. Hildegard an der Königsallee stadtweit nach wie vor die einzige Einrichtung ihrer Art. In zwölf Zimmern wird jährlich rund 170 Gästen ein würdiges „Leben bis zuletzt“ (so das Leitwort) ermöglicht. „Für eine Großstadt wie Bochum klingt das nicht viel“, weiß Bettina Claßen. Die Warteliste umfasse bis zu 30 Anmeldungen. Aber: Es gebe einen Austausch mit den Hospizen in Essen, Herne und Witten. „Weil die Plätze jeweils nach Dringlichkeit vergeben werden und zugleich die Kliniken ihre Palliativstationen deutlich aufgestockt haben, reichen die Kapazitäten weitgehend aus“, sagt die Palliativmedizinerin.

Austausch über Stadtgrenzen hinweg

Cornelia Schulz profitiert von dem Austausch über Stadtgrenzen hinweg. Die 56-Jährige wohnt in Hattingen und ist an Schilddrüsenkrebs erkrankt. Seit vier Wochen lebt sie im Hospiz St. Hildegard, wo sie die Fürsorge und medizinische Betreuung lobt: „Zuhause war eine Betreuung nicht mehr zu machen. Hier klappt alles wunderbar.“

„Tatsächlich können wir für immer mehr Patienten da sein“, sagt Palliativärztin Dr. Birgitta Behringer. 4500 Menschen sterben jährlich in Bochum. 1800 – also jeder dritte – haben zuvor den Beistand durch das Palliativnetz erfahren. Das ist engmaschig geknüpft, umfasst sechs Ärzte und fünf „Koordinatoren“ ebenso wie Augusta, Bergmannsheil, Knappschaftsklinik und St.-Josef-Hospital mit ihren Palliativstationen, Apotheken, Pflegedienste, Sanitätshäuser und nicht zuletzt die Hausärzte und Ambulanten Hospizdienste mit ihren ehrenamtlichen Helfern. Auch eine Expertin für Kindertrauerarbeit ist im Einsatz.

Helfern hilft vierbeiniger „Seelenstaubsauger“

In Teamarbeit könne der größte Wunsch fast aller Patienten häufig erfüllt werden, sagt Christiane Breddemann von den Ambulanten Augusta-Diensten: Die letzten Monate, Wochen, Tage daheim oder im Hospiz zu verbringen. So wie Cornelia Schulz, die über eine Pumpe Schmerzmittel verabreicht bekommt und sich täglich über den Besuch ihrer Familie im Hospiz freut, in dem die durchschnittliche Aufenthaltsdauer 60 Tage beträgt. „Zu jeder Tages- und Nachtzeit ist hier jemand ansprechbar“, sagt sie. Und: „Ich kann ausschlafen.“

Bettina Claßen und ihre Kollegen freuen sich über das Kompliment. Doch was macht der tägliche Umgang mit Sterben und Tod mit den Profis und Ehrenamtlern? „Man lernt zu schätzen, wie kostbar das Leben ist“, sagt Birgitta Behringer. Und wenn die Arbeit doch mal aufs Gemüt schlägt, steht nicht selten ein Vierbeiner parat: Viele Palliativ-Helfer haben einen Hund. Als „Seelenstaubsauger“.

>> KONGRESS IM SEPTEMBER

  • Das Palliativnetz veranstaltet vom 28. bis zum 30. September den dritten Palliativkongress Ruhr. Die Tagung im Ruhrcongress wendet sich an Mediziner, Pflegekräfte, aber auch Ehrenamtliche in der Hospizarbeit. In den letzten Jahren haben jeweils ca. 600 Teilnehmer von den Vorträgen und Gesprächen profitiert.
  • Dabei möchte das Palliativnetz auch die Bevölkerung über die Möglichkeiten der Palliativversorgung informieren. „Wir wollen mit den Menschen ins Gespräch kommen“, sagt Vorstandsmitglied Christiane Breddemann.
  • Dazu dient der Eröffnungs- und Publikumsabend am Mittwoch, 27. September, um 18 Uhr. Zu Gast ist Ex-Minister und Ex-SPD-Chef Franz Müntefering. Auf der Bühne steht wie im Vorjahr auch Esther Münch. Als Putzfrau Waltraud Ehlert präsentiert sie ihr aktuelles Programm „Wallis Wahrheiten“.
  • Die Teilnahme ist kostenlos. Infos: www.palliativkongress-ruhr.de