Bochum. . 4486 Personen wurden 2016 Hartz IV-Leistungen gekürzt. Das Sozialgericht Gotha bezweifelt, dass Kürzungen dieser Art verfassungskonform sind.
- 4486 Bochumern wurden im vergangenen Jahr Hartz IV-Leistungen gekürzt
- Damit ist die Zahl der Sanktionen gegenüber dem Vorjahr deutlich zurückgegangen
- Allerdings gibt es Zweifel, ob diese Kürzungen überhaupt verfassungskonform sind
Deutlich zurückgegangen ist 2016 die Zahl der Bezieher von Hartz IV-Leistungen, gegen die das Jobcenter Sanktionen ausgesprochen hat. 4486 Personen waren davon betroffen, gut 25 Prozent weniger als noch im Jahr davor. Durchschnittlich bezogen 2016 in Bochum 30 877 Personen Hartz IV.
Vor allem bei den Meldeversäumnissen hat sich der Rückgang bemerkbar gemacht, die Personenzahl sank von 5246 (2015) auf 3798. Nicht zuletzt deshalb sieht sich das Jobcenter in seiner Verfahrensweise bestätigt. „Wir wollen mit unseren Kunden ins Gespräch kommen, um gemeinsam eine berufliche Perspektive zu erarbeiten“, so Sprecher Johannes Rohleder.
Werden Termine ohne Gründe mehrfach nicht abgesagt und nicht wahrgenommen, gebe es zunächst eine Verwarnung, ehe Leistungen gekürzt werden. Rohleder: „Das sagen wir unseren Kunden auch ganz offen.“ Der Vorwurf, das Jobcenter wolle seine Kunden disziplinieren, sei falsch. Es folge vielmehr den gesetzlichen Vorgaben.
Gericht prüft Vereinbarkeit mit der Verfassung
Die indes sind nicht unumstritten, worauf die Ratsfraktion der Linken in einer Anfrage hinweist. Das Sozialgericht Gotha habe die Hartz IV-Sanktionen als verfassungswidrig eingestuft. Es bezweifle, dass sie mit der in Artikel 1 des Grundgesetzes festgeschriebenen Unantastbarkeit der Menschenwürde und der in Artikel 20 festgeschriebenen Sozialstaatlichkeit der Bundesrepublik vereinbar sind. Nun sei das Bundesverfassungsgericht damit befasst.
Zumal Personen nicht nur einmal, sondern mitunter mehrfach Leistungen gekürzt werden. 7618 Maßnahmen wurden 2016 gegen besagte 4486 Personen ausgesprochen. Gegen 1869 Personen wurden zwei, gegen 1272 drei oder mehr Sanktionen ausgesprochen.
Zehn Prozent Abzug für drei Monate bei Meldeversäumnissen
Wie viel Geld den Betroffenen abgezogen wird, hängt auch ab vom Grund der Kürzung. Auf Meldeversäumnisse beim Jobcenter, bei ärztlichen und psychologischen Untersuchungsterminen (Paragraf 32 SGB II) wird mit einem Leistungsabzug von zehn Prozent für drei Monate reagiert.
Bei einer Pflichtverletzung (Paragraf 31) wie dem Nichtantreten oder Abbruch einer Eingliederungsmaßnahme wird das Arbeitslosengeld II (Hartz IV) um 30 Prozent gekürzt. Eine alleinstehende Person erhält dann nicht 409 Euro monatlich für den Lebensunterhalt, sondern nur 286,30 Euro.
„Wir lassen niemanden mittellos sitzen“
„Leistungen für die Kosten der Unterkunft sind davon unberührt“, erklärt Jobcenter-Sprecher Rohleder. Bei wiederholten Pflichtverletzungen können 60 Prozent oder gar die komplette monatliche Leistung gekürzt werden. In 207 Fällen wurden im Vorjahr Leistungen komplett gestrichen, gegenüber 2015 (164) ist das ein deutlicher Anstieg. „Wir lassen in solchen Fällen aber niemanden mittellos sitzen“, sagt der Sprecher.
Es gebe die Möglichkeit, Lebensmittelgutscheine auszugeben. Deren Wert indes werde später, wenn wieder Transferzahlungen fließen, verrechnet. Rohleder: „Die Sanktionen müssen ja auch spürbar sein.“
Abgenommen hat die Zahl der Klagen und Widersprüche gegen Sanktionen nach Meldeversäumnissen. Geklagt wurde 2016 in 13 Fällen (2015: 31), Widersprüche wurden 250 (302) eingelegt. In 97 Fällen wurden den Widersprüchen ganz oder teilweise stattgegeben.
>>> INFO: Elf Hausverbote gegen Jobcenter-Kunden
Deutlich zurückgegangen sind im vergangenen Jahr die Zahl der Hausverbote, die das Jobcenter gegen Kunden ausgesprochen hat. Nach 23 Hausverboten im Jahr 2014 waren es im Folgejahr noch 17 und im Jahr 2016 lediglich noch elf.
Während auch weniger Strafanzeigen (4 statt jeweils 5 in 2015 und 2014) gab, hat die Zahl der Verwarnungen leicht zugenommen. 2016 wurden 25 Verwarnungen ausgesprochen – mehr als noch 2014 (20) und 2015 (24).