Agnes Westerheide ist Verdi-Gewerkschaftssekretärin und war selbst lange in der Altenpflege tätig. Sie sprach mit Marie Illner über die Ursachen des Personalnotstands und mögliche Lösungen.

Agnes Westerheide ist Verdi-Gewerkschaftssekretärin und war selbst lange in der Altenpflege tätig. Sie sprach mit Marie Illner über die Ursachen des Personalnotstands und mögliche Lösungen.

Welche Ursachen gibt es für den Personalnotstand?

Die Situation hat sich über Jahre zugespitzt. Ursächlich ist, dass sich die Aufgaben in der Pflege durch Professionalisierung vervielfältigt haben, ohne dass mehr Personal eingestellt wurde. Heute besteht eine hohe Dokumentationspflicht. Wenn ein Kollege krank ist, muss der gesamte Dienstplan verändert werden, denn es gibt keinen Personalpuffer mehr. Einen solchen Personalpuffer braucht man aber, um Ausfallzeiten, Erkrankungen, Fortbildungen und Urlaub zu kompensieren.

Welche Rolle spielt dabei die Bezahlung?

Die Bezahlung ist zu niedrig. Die Träger unterbieten sich gegenseitig in den Preisen, für die sie Pflege anbieten. Manche Einrichtungen, wie zum Beispiel die Senioreneinrichtungen der Stadt Bochum, zahlen Tariflohn, die tarifungebundenen Träger zahlen meist weniger. Der Lohn ist für das, was geleistet werden muss, definitiv nicht gerechtfertigt. Ich glaube, dass viele den Beruf nicht mehr ergreifen, weil es nur geht, solange man keine weiteren Verpflichtungen hat. Die Dienstpläne sind gegenüber früher viel unverbindlicher geworden und die Flexibilität ist nur einseitig. Ein Mitarbeiter soll flexibel einspringen, aber wenn er einen Termin hat, wird ihm diese Flexibilität nicht gewährt. Genauso wichtig ist es aber, dass sich die Arbeitsbedingungen so verbessern, dass eine gute Pflege der alten Menschen möglich ist.

Was kann aus gewerkschaftlicher Sicht gegen diese Situation getan werden?

Eine Grundvoraussetzung ist, dass es eine gute bundeseinheitliche Personalbemessung gibt. Aktuell stattet jedes Bundesland die Altenpflege nach seinen Vorstellungen aus. Wir brauchen unbedingt politische Entscheidungen, die Altenpflege mit mehr Personal auszustatten. Außerdem müssen sich die Arbeitsbedingungen bessern. Dabei kann die Reform gar nicht schnell genug kommen, denn die Pflegeeinrichtungen können ihre Dienstpläne nur deshalb noch aufrechterhalten, weil die Mitarbeiter hohe soziale Kompetenzen haben. Sie wollen ihre Bewohner nicht alleine lassen. Wenn jeder Mitarbeiter sich nur an die nach seinem Arbeitsplan vereinbarten Dienste hielte, dann würde das System scheitern.