Bochum. . In Bochum hatte die globale Oper „Hagar“ über den Urgrund der Religionen Premiere. Ein eindrucksvoller Theaterabend, an dem nicht alles passte.
- In den Kammerspielen inszeniert die freie Gruppe „Kainkollektiv“ eine globale Oper
- Sie handelt von Hagar, einer biblischen Figur, die Christen, Juden und Musilime betrifft
- Die Aufführung bietet viel für Auge und Ohr, nimmt sich aber stellenweise zu viel vor
Bei der Premiere von „Hagar“ prallten am Donnerstagabend in den Kammerspielen die Weltreligionen aufeinander, und mehr als das. Es wurde ein zweistündiger Clash of Cultures, der einen wie berauscht nach Hause entlässt.
„Hagar“ ist eine ambitionierte, musikalisch-theatralische Wanderung durch Zeiten und Welten auf der Suche nach den Wurzeln der Religionen. Eingerichtet von der freien Gruppe Kainkollektiv, fächern Schauspieler, Tänzer, Musiker und Sänger die uralte Geschichte von Hagar („die Fremde“) auf – eine wenig bekannte biblische Figur, die gleichwohl fürs Christen- und Judentum und für den Islam bedeutsam ist.
Hagar wird samt Kind verstoßen
Hagar ist die ägyptische Magd, mit deren Hilfe Abraham und Sara ihre Kinderlosigkeit beendeten: Hagar wird zur Leihmutter, sie bringt Ismael zur Welt. Als Sara doch schwanger wird, und Isaak gebiert, verstößt Urvater Abraham Hagar und Ismael. In der Wüste werden beide von Gott durch die Gabe einer Quelle gerettet. Ismael wird zum Stammvater der Araber. Noch heute verehrt ihn der Islam als Prophet.
Die mythologische Geschichte wird vielfach gebrochen und von Videosequenzen überhöht vorgestellt. „Hagar“ beschwört die Möglichkeit einer religiösen Weltfamilie, die gar nicht so verschieden ist, wie behauptet wird. Entsprechend besteht das Ensemble aus multi-ethnischen Darstellern, darunter Simin Soraya und Kristina Peters (Schauspielhaus).
Auch Chöre wirken mit
Die Regie (Fabian Lettow und Mirjam Schmuck) bietet viel fürs Auge, aber sie ist auch anstrengend. Ein Riesenapparat will im Wortsinn bewegt werden, und es ist stellenweise mühsam, dem dauernden Auf- und Abtreten, dem ganzen wuseligen Hin und Her auf zu engem Raum (Bühne: Zdravka Kirigin) zu folgen. Hier wäre weniger mehr gewesen.
Am stärksten ist die Aufführung, wenn es persönlich wird, die Schauspieler quasi aus ihren Rollen treten und ihre Religions-Erfahrungen schildern. So erzählt die deutsch-persische Simin Soraya von Teheran, wo nach der islamischen Revolution 1979 die „Sittenpolizei“ mit Gewalt dafür sorgte, dass die Frauen fortan statt Make-Up den Schador anlegten.
Und da ist natürlich die Musik! Ein Streichquartett spielt Scarlatti, DJ Rasmus pumpt Electro-Sounds, Kinder- und Erwachsenenchöre sind zu hören – besonders anrührend in seiner tief empfundenen Innerlichkeit ist der jüdische Chor Bat Kol David. Im überzeugenden Soundtrack wird die als „Global Opera“ ausgeflaggte Inszenierung des Kainkollektivs sich selbst am meisten gerecht.
>>>Das sagt der WAZ-Theaterscout
Edgar Zimmermann: „Eine multireligiöse Theater- und Gesangsshow mit ganz großartigen professionellen Darstellern, aber auch die Laienchöre und der islamische Sänger konnten das Publikum bei der Premiere am Donnerstag voll begeistern.
Dargestellt wird der gemeinsame Ursprung der monotheistischen Religionen und ihre verbindenden religiösen Inhalte und Figuren, gleichzeitig werden noch einige persönliche Erfahrungen mit kritischen Entwicklungen der Religionen in der Vergangenheit angesprochen.
Im Hintergrund agierende Musiker unterstützen durch harmonische klassische Klänge und moderne Samples das Ganze.“