Bochum. . FDP und Stadtgestalter sorgen sich um die Zukunft Bochumer Grundschüler. Schon die Einschulung entscheide über den späteren Bildungsweg.

  • Ratsfraktion aus FDP und Stadtgestalter sieht die Chancengleichheit für Grundschulkinder gefährdet
  • Die Zukunft eines Kindes entscheide sich bereits bei der Einschulung durch den Schulstandort
  • Die Empfehlungen für Hauptschule oder Gymnasium seien sehr häufig stadtteilspezifisch

Die Ratsfraktion aus FDP und Stadtgestalter fährt gleich große Geschütze auf: Die Chancengleichheit für Grundschulkinder lasse deutlich zu wünschen übrig, die Bildungslandschaft sei ungerecht. Wenn man sich die Empfehlungen der 42 städtischen Grundschulen für den Übergang auf die weiterführenden Schule ansehe, würde eins deutlich: Die Zukunft eines Kindes entscheide sich bereits bei der Einschulung.

Don-Bosco-Schule schickt fast alle aufs Gymnasium

In der Tat ist an der Don-Bosco-Schule im Stadtteil Wiemelhausen und an der Gräfin-Imma-Schule (Stiepel) für das Schuljahr 2016/2017 keinem Vater und keiner Mutter gesagt worden, dass die Lehrer ihre Kinder auf einer Hauptschule gut aufgehoben sehen würden. Dort gab es eine fast 80-prozentige Gymnasialempfehlung.

Überwiegend eine Hauptschulempfehlung sprachen dagegen die Lehrerinnen und Lehrer am Schulverbund Feldsieper Schule (Hamme) und der Von-Waldthausen-Schule (Werne) aus. An der Feldsieper Schule bekamen 38,8 Prozent der Schüler eine, an der von-Waldthausen-Schule 40,5 Prozent. Das ist der Höchstwert bei nur 21,4 Prozent Gymnasialempfehlung. Das wiederum ist der niedrigste Wert aller Grundschulen.

Gesamtschule wird nicht berücksichtigt

Luisa-Maximiliane Pischel, sachkundige Bürgerin für die FDP im Schulausschuss, spricht davon, dass an diesen Schulen die Schüler nach der vierten Klasse in der Regel nur das Hauptschulniveau erreichen würden. Diese Meinung teilen aber gerade Ute Klein, Leiterin der von-Waldthausen-Schule, und Michael Latz, Leiter des Schulverbundes Feldsieper Schule nicht.

Schon bei der Einschulung sei häufig der künftige Bildungsweg vorgezeichnet, sagen FDP und Stadtgestalter.
Schon bei der Einschulung sei häufig der künftige Bildungsweg vorgezeichnet, sagen FDP und Stadtgestalter. © dpa

Ein erstes Problem dieser Schulformempfehlungen sieht Klein darin, „dass die Gesamtschule darin fehlt, weil sie alle nimmt. Viele unserer Schüler aber gehen zur Willy-Brandt-Gesamtschule. Dazu kommt, dass wir immer nur Empfehlungen aussprechen. Eltern können sich völlig anders entscheiden“.

Die Empfehlung sei zwar Bestandteil der Beratung der Eltern, weil die aber wüssten, dass es eben nur eine Empfehlung sei, sei das Elterngespräch weniger belastend. „Früher hatten die Eltern ja keine Wahl“, sagt Latz. „Da entschieden die Lehrer, wer wo hingeht.“

Empfehlung entspricht Elternwunsch

An der von-Waldthausen-Schule hat Ute Klein schon länger registriert, „dass die Eltern nicht so risikobereit sind. Viele haben Angst, dass sie ihren Kindern vielleicht auf dem Gymnasium nicht so helfen können, sie wollen lieber den langsamen Aufbau. Unsere Empfehlung entspricht dem Elternwunsch. Die Eltern schätzen unsere realistische Einschätzung.“

Kinder, die von der von-Waldthausen-Schule zum Gymnasium wechseln würden, würden es da aber auch schaffen. „Wichtig ist“, sagt Klein, „dass die ersten Schritte an der weiterführenden Schule möglichst reibungslos verlaufen. Sonst gibt es Schwierigkeiten.“

Die würden Astrid Niemeyer und Gerhard Blaschke vom Schulamt der Stadt auf die Schulen zukommen sehen, ließe man die Liste der Schulformempfehlungen unkommentiert. „Dann würde es den Schulen schaden“, sagt Blaschke. „Diese Empfehlungen aber sind kein Index für die Qualität einer Schule. Gleichwohl drücken diese Zahlen die Sozialstruktur innerhalb der Stadt aus. Sie korrespondieren mit anderen Indikatoren.“

Offener Ganztag fördert die Schüler

Die Zahlen zeichnen ein klares Bild. Von den 56 Kindern, die zum Schuljahr 2016/2017 die Don-Bosco-Grundschule verließen, wechselten 43 auf ein Gymnasium. Das sind stolze 77,4 Prozent. Die restlichen Kinder besuchten nach dem Ende ihrer Grundschulzeit eine Realschule. So zumindest waren die Schulformempfehlungen der Lehrerinnen und Lehrer ausgefallen.

Empfehlungen an Eltern, ihr Kind auf eine Hauptschule zu schicken, machten die Don-Bosco-Lehrer nicht. Eliteschule Don-Bosco-Grundschule?

Schulleiterin Dr. Elisabeth Hennecke verneint das entschieden. „Natürlich versuchen wir die Kinder an unserer Schule bestmöglich zu fördern. Wir bieten Förderunterricht im Plusbereich an, also Unterricht für ohnehin schon gute Schülerinnen und Schüler. Wir brauchen die Förderung für gute Kinder und haben dazu das Glück, dass wir dabei durch den Offenen Ganztag, den bietet unser eigener Förderverein an, bestens unterstützt werden.

Wir versuchen seit Jahren gute Arbeit zu leisten. Aber das versuchen die anderen Grundschulen in Bochum und ihre Lehrerinnen und Lehrer ja auch.“

Prognosen sind immer wackelig

Zudem sei dieser Jahrgang, der Mitte 2017 die Don-Bosco-Schule verlassen habe, „ein guter gewesen. Das waren zwei gute Klassen.“ Davor die Jahre habe es durchaus Hauptschulempfehlungen gegeben. Und überhaupt: es seien ja nur Empfehlungen. „Es ist eine Beratungsgrundlage für das Gespräch mit den Eltern, da sehen wir ihr Kind. Es ist quasi eine Prognose, und die ist immer wackelig.“

Wichtig sei daher zu sehen, dass einige Kinder mit Gymnasialempfehlungen relativ schnell die Gymnasien wieder verlassen würden.

Um das zu vermeiden, pflegen die Lehrerinnen und Lehrer der Don-Bosco-Schule den Kompetenzpass, den die Stadt vor einigen Jahren auf den Weg gebracht hat. Darin werden Leistungen und „Eigenarten“ der einzelnen Schülerinnen und Schüler Schulklassen begleitend mitgeschrieben. Die weiterführenden Schulen bekommen sie dann ausgehändigt.

„Außerdem“, sagt Hennecke, „laden wir regelmäßig Vertreter von weiterführenden Schulen ein, damit sie sich schon vorher ein Bild machen können.“

Kompetenzpass hilft bei der Beurteilung

Kompetenzpass ausfüllen und Lehrer weiterführender Schulen einladen, das machen andere Bochumer Grundschulen auch. „Neben dem Kompetenzpass gibt es einen weiteren Bogen zum Ausfüllen für alle Bochumer Schulen“, sagt Astrid Niemeyer vom Schulamt. „Darin geht es um Lernfähigkeit, Sozialverhalten, natürlich auch um die einzelnen Fächer.

Wir wollen möglichst eine Bildungsentwicklung ohne Brüche. Wenn also ein Kind eine Gymnasialempfehlung bekommt, dann soll es dort seinen Weg gehen können.“

42 Grundschulen gibt es in Bochum

42 städtische Grundschulen gibt es. Damit sieht sich das Schulamt gut aufgestellt. Auch vor der Tatsache, dass, seitdem es keine Schulbezirke mehr gibt, Eltern entscheiden, auf welche Grundschule ihr Kind gehen soll.


  • Allerdings gibt es eine Einschränkung. Zunächst werden alle Kinder aufgenommen, die nah an der entsprechenden Grundschule wohne n. Sind darüber hinaus Plätze frei, können Kinder von „außerhalb“ dazu kommen.