Bochum. . Verbraucherberatung kritisiert Telefon- und Internetanbieter. Sie nutzten die Unwissenheit gerade der älteren Generation zunehmend aus

  • Die Verbraucherzentrale Bochum übt massive Kritik an Telefon- und Internetanbietern
  • Den Senioren fehlt der Durchblick: Verwirrende Tarife, vermeintliche Schnäppchen, Vertrags-Dreingaben
  • Kasse wird aber auch auf anderen Geschäftsfeldern gemacht. Besonders beliebt: Energielieferverträge

Die Verbraucherzentrale übt massive Kritik an Telefon- und Internetanbietern. „Senioren, zunehmend auch Flüchtlinge tappen in die Kostenfalle. Sie gehen für einen Vertrag in die Shops – und kommen mit drei wieder heraus“, warnt Andrea Thume, Leiterin der Verbraucherberatung an der Großen Beckstraße.

Verwirrende Tarife, vermeintliche Schnäppchen, Telefone und Tablets als Vertrags-Dreingaben: Obwohl Smartphones und Internet längst auch in der älteren Generation zum Alltag gehören, fehlt (nicht nur) Senioren vielfach der Durchblick durch die verschiedenen Anbieter und Angebote. Dies, beobachten die Bochumer Verbraucherschützer, machten sich Unternehmen „quer durch den Markt“ zunutze.

Anklage gegen vier auffällige Anbieter

Von „verletzlichen“, weil uninformierten Verbrauchern spricht Andrea Thume. Ihnen würden Produkte und Pakete untergeschoben, von denen nur einer profitiert: der Verkäufer. „Viele Verbraucher verkennen, dass Verträge, die im Telefonshop abgeschlossen werden, anders als an der Haustür oder am Telefon nicht widerrufen werden können“, betont Andrea Thume.

Kasse gemacht werde auch auf anderen Geschäftsfeldern. Das weist die Jahresbilanz 2016 der Verbraucherberatung mit 15 280 Anfragen aus. Besonders beliebt: Energielieferverträge. „Hier spricht Ihr Energieversorger. Möchten Sie Ihre Energiekosten senken?“ Diese oder ähnliche Anrufe gaukeln vor, seinen Stromlieferanten (meist die Stadtwerke) am Apparat zu haben. Tatsächlich ist es die Konkurrenz, die „unter falscher Flagge“ (so Beraterin Claudia Wilmer) um einen Anbieterwechsel buhlt. Gegen vier auffällige Anbieter hat die Verbraucherzentrale inzwischen Klage eingereicht. Es bestehe der Verdacht, dass Energielieferverträge gefälschte Unterschriften tragen.

Gratis-Plastiktüten sind fast vollständig verschwunden

Als Abzocke wertet die Beratungsstelle auch Kreditkarten, die insbesondere Flüchtlingen angepriesen werden. Geworben werde mit einem Kredit ohne Schufa und Bonitätsprüfung. Wer unterschreibt, erhält aber nur eine Prepaid-Karte – für 49,90 Euro „Ausgabegebühr“.

Bitteres Lehrgeld zahlten viele Flüchtlinge auch bei Dating-Portalen, die zwar hohe Gebühren, aber meist nicht die erhofften Bekanntschaften mit sich bringen.

Kampf gegen Plastikmüll ist noch nicht gewonnen

Auch Erfreuliches hat die Verbraucherberatung zu melden. „Die Gratis-Einkaufstüte ist in den Bochumer Supermärkten fast vollständig verschwunden“, sagt Umweltberaterin Manuela Weber. Wer noch eine Tüte will, muss dafür zahlen.

Der Kampf gegen den Plastikmüll ist aber noch keinesfalls gewonnen. „Der Kaffee-to-go-Becher ist die neue Plastiktüte“, konstatiert Weber. 24 Millionen Ex-und-hopp-Becher fallen in Bochum jährlich an.

<<<KOMMENTAR

Erschreckend ist das Geschäftsgebaren, das die Verbraucherschützer im digitalen Konsumalltag anprangern. Mit der Unwissenheit vor allem älterer Menschen wird hemmungslos Kasse gemacht – offenbar auch bei Anbietern, die landläufig als seriös gelten. Dass im Tarifdschungel der Telefonie und des Internets zunehmend auch Flüchtlinge abgezockt werden, erscheint besonders beschämend.

Es wird schwer sein, der Profitsucht in diesem besonders profitablen Geschäftsfeld Einhalt zu gebieten. Den wichtigsten Beitrag können die Verbraucher selbst leisten, indem sie sich vor Vertragsabschluss informieren: unabhängig und nicht erst im Telefonshop. Die Verbraucherzentrale ist dafür eine gute Adresse.