Bochum. . Am Hauptbahnhof Bochum ist am Donnerstag ein verdächtiger Koffer gefunden worden. Wie die Bahnkunden reagierten und was die Besitzerin erwartet.

  • Um 9.18 Uhr melden aufmerksame Bahnkunden den pinkfarbenen Koffer. Um 10.15 Uhr wird der Hauptbahnhof gesperrt
  • Aus Düsseldorf kommen kurz darauf Entschärfer und untersuchen den Trolley. Sie geben schnell Entwarnung
  • 95 Minuten war der Hauptbahnhof zum größten Teil gesperrt. 20 Züge wurden umgeleitet

Ein pinkfarbener Koffer hat am Donnerstag den Hauptbahnhof lahmgelegt. Jemand hatte den Trolley neben einer Sitzbank auf Gleis 4 abgestellt. Mehrmals wurde per Lautsprecher nach dem Besitzer gesucht. Als sich niemand meldete, sperrte die Polizei um 10.15 Uhr die Gleise 1 bis 6. Der Nah- und Fernverkehr kam zum Erliegen, nur S-Bahnen konnten den Bahnhof anfahren. Nach 95 Minuten wurde Entwarnung gegeben.

„6000 Fahrgäste waren in den Zügen von der Sperrung betroffen“, sagte ein Bahnsprecher. Hinzu kommen hunderte Kunden, die am Hauptbahnhof festsaßen. 20 Züge mussten über Gelsenkirchen umgeleitet werden, zwei Regionalbahnen fielen aus. Im Schnitt hatten die Züge zehn Minuten Verspätung.

Nur zwei Gleise blieben in Betrieb

9.18 Uhr. Aufmerksame Fahrgäste bemerken den auffälligen Koffer am Ende von Gleis 4. Bahnmitarbeiter verständigen die Polizei. Daraufhin geht alles ganz schnell. Zwar wird auf eine Räumung verzichtet. Mit Wachposten und Flatterbändern werden aber die Zugänge zu den Bahnsteigen gesperrt. Die Fahrgäste dürfen nur die Gleise 7 und 8 betreten, auf denen die Züge planmäßig verkehren – in rund 100 Metern Entfernung zu dem verdächtigen Koffer. „Lassen Sie Ihr Gepäck nicht unbeaufsichtigt!“: Der obligatorische Sicherheitshinweis, der über die gespenstisch leeren Bahnsteige hallt, wirkt in diesen Momenten fast schon skurril.

Nur wenige Fahrgäste reagieren wütend. „Ich hab’ einen wichtigen Anwaltstermin in Dortmund. Und jetzt das!“, zürnt eine Geschäftsfrau, die sich kurzerhand ins Taxi setzt. Die meisten Bahnkunden bleiben entspannt. „Sicherheit geht immer vor. Mit so etwas muss man in diesen Zeiten eben rechnen“, meint Stefan Lankovicz (24) und beißt herzhaft in sein Thunfisch-Sandwich. „Dann muss die Uni heute eben mal warten.“ Ob er Angst hat? „Nee, dazu gab es schon zu viele vergessene Koffer.“

Damenkleidung und ein handgeschriebener Test

Die Sicherheitskräfte spulen derweil routiniert ihr Anti-Terror-Programm ab. Vor dem Bahnhof fahren Rettungswagen auf. Vor und auf den Gleisen beziehen die Beamten Stellung. Über eine Stunde vergeht, bis ein Experte des Landeskriminalamtes eintrifft. „Das ist der einzige, den es für ganz NRW gibt. Deshalb dauert das immer so lange“, erklärt ein Polizist.

Abgeschirmt vor allzu neugierigen Blicken (niemand soll die Arbeit der Bomben-Spezialisten aus nächster Nähe sehen), wird der Koffer vorsichtig geöffnet. Ergebnis: Damenbekleidung und ein handgeschriebener Test, der auf eine Ausbildung in der Gastronomie hindeutet. Personalien? Keine.

Um 11.50 Uhr wird die Sperrung aufgehoben. Der Koffer wird wieder eingeräumt und zur „Fundsache“ erklärt. Abzuholen von einem vermutlich weiblichen Fahrgast, der wohl keine finanziellen Folgen befürchten muss. Eine Strafe samt Rechnung über die Einsatzkosten droht nur, wenn Absicht bewiesen werden. „Hier“, heißt es, „deutet aber alles auf Vergesslichkeit hin.“

>>> Kommentar: Der Terrorangst trotzen

Und plötzlich ist sie ganz nah, die Angst vor Terror, Bomben, Attentaten wie zuletzt in Manchester. Ein herrenloser Koffer reicht, um einen kompletten Hauptbahnhof lahmzulegen und für einen Großeinsatz von Polizei und Rettungskräften zu sorgen. Das mag manchem – besonders den wartenden Bahnkunden – überzogen erscheinen, ist auf Bahnhöfen und Flughäfen aber inzwischen traurige Routine. Sicherheit geht vor. Das muss immer und überall die Richtschnur des Handelns sein.

Wer im Bahnhof war, hat sie gesehen, die furchtsamen Blicke vor allem von Kindern und Senioren. Doch deutlich in der Mehrheit waren die Fahrgäste, die die Sperrung gelassen, fast schon entspannt hinnahmen. Die Terrorgefahr ist allgegenwärtig. Wachsamkeit, so wie gestern beim Koffer auf Gleis 4, ist das Gebot der Stunde. Aber unser Leben, unseren Alltag dürfen wir uns von jedweden Irr- und Wirrköpfen niemals kaputtmachen lassen. Gut, wenn man dabei auch noch auf sein Gepäck achtet.