Laer. . Kurdische Religionsgemeinschaft fand im ehemaligen jüdischen Gemeindehaus in Laer eine feste Bleibe. Umbau dauerte ein Jahr und ist fast beendet.

In Laer hat es sich inzwischen herumgesprochen: Im ehemaligen jüdischen Gemeindehaus an der Alten Wittener Straße 13 tut sich was. Und das sogar bereits seit gut einem Jahr. So lange nämlich wird hier schon gewerkelt, um aus dem maroden Gebäude einen neuen Ort der Begegnung zu schaffen: für die Jesiden aus Bochum und Umgebung.

Im großen Saal fertigt ein Gemeindemitglied ein Bild der noch erhaltenen Heiligenstätte Lalish im Nordirak an. Im Zentrum steht
Im großen Saal fertigt ein Gemeindemitglied ein Bild der noch erhaltenen Heiligenstätte Lalish im Nordirak an. Im Zentrum steht © Rainer Raffalski

„Der Umbau ist fast beendet“, freuen sich Sehmus Toku, Geschäftsführer, und Hüsyen Toru, 2. Vorsitzender der kurdischen Religionsgemeinschaft, die ein eingetragener Verein ist. Die Erleichterung ist den beiden anzumerken. „Es war viel Arbeit. Zehn Jahre ist hier nichts getan worden“, sagt Toru. Im Obergeschoss sei die Decke eingestürzt gewesen. Auch die Heizungsanlage musste erneuert werden. Dazu die Böden, die Toiletten.

Doch nun ist ein Ende in Sicht. Für 300 000 Euro haben die Jesiden die 480 Quadratmeter große Immobilie von der Stadt gekauft und wieder in Schuss gebracht. Die Renovierung ist großteils in Eigenleistung erfolgt. „Das waren viele Nachtschichten für uns“, erzählt Sehmus Toku. Doch der Einsatz habe sich gelohnt. „Jetzt haben wir endlich eine Heimat. Das Gemeindehaus ist unser ganzer Stolz.“

Sehmus Toku (l.) und Hüsyen Toru im Herzstück des Gemeindehauses, der Küche. Die Gemeinde zählt einen gelernte Koch
Sehmus Toku (l.) und Hüsyen Toru im Herzstück des Gemeindehauses, der Küche. Die Gemeinde zählt einen gelernte Koch © Rainer Raffalski

Der Verein zählt rund 50 Mitglieder. Die Zahl der Kurden jesidischen Glaubens ist um ein Vielfaches größer. „Mehr als 300 Familien wohnen in Bochum, übers Ruhrgebiet verteilt sind es wohl an die 3000“, schätzt Hüsyen Toru. Für Feste und Trauerfeiern musste sich die Gemeinde stets irgendwo einmieten. Nun nicht mehr.

In den großen Saal im Obergeschoss passen rund 250 Personen. Platz genug für die Veranstaltungen der Gemeinde, die nicht zurückgezogen für sich bleiben, sondern sich dem Stadtteil öffnen will. In Kürze bei einer großen Eröffnungsfeier, aber auch darüber hinaus. „Wir sind eine offene Gemeinschaft, ein gemischtes, friedliebendes Völkchen“, sagt Sehmus Toku, dessen Bruder Farat den Fußball-Regionalligisten Wattenscheid 09 trainiert. „Und ein Volk der Teetrinker.“

Aufklärungsarbeit ist normal

„Glaube wichtiger als das Herkunftsland“

Ursprüngliche Hauptsiedlungsgebiete der Kurden jesidischen Glaubens liegen im nördlichen Irak, in Nordsyrien und in der südöstlichen Türkei. Für Sehmus Toku, der mit seiner Familie in den 80er Jahren aus der Türkei nach Deutschland kam, ist das Herkunftsland jedoch egal. „Wichtiger ist der Glaube.“

Wichtig ist den Jesiden auch die Jugend. Sie (und manch Erwachsener) soll im Gemeindehaus Kurdischschreiben lernen.

Dass viele Menschen mit dem Begriff Jesiden nicht viel anfangen können, weiß Sehmus Toku. Er ist es gewohnt, aufzuklären. „Jeside wird man mit der Geburt“, sagt er. „Man kann zu diesem Glauben nicht konvertieren. Wir gehören nicht zum Islam, sind eine der ältesten Religionsgemeinschaften der Welt.“ Und leider auch eine der am meisten verfolgten. „Da gibt es viele Parallelen zum Judentum. Seit jeher gab es Konflikte mit Religionen, die alles vereinnahmen wollten. Es befinden sich auch aktuell immer noch sehr viele Brüder und Schwestern in Gefangenschaft des Islamischen Staates“, weiß Toku, der sich auch deshalb sehr um kurdische Flüchtlinge kümmert.