Bochum.. Auch Vorschulkinder können psychisch erkranken. Auf Zustimmung stoßen daher bei Bochumer Kinderärzten die neuen Vorsorgeuntersuchungen U1 bis U9.

Immer mehr Vorschulkinder weisen psychische Probleme und Auffälligkeiten auf. Auf breite Zustimmung bei Bochumer Kinderärzten stößt daher die Erweiterung der Früherkennungsuntersuchungen bei Jungen und Mädchen bis sechs Jahren. „Die Neuregelung kann dazu beitragen, dass Eltern Hilfsangebote frühzeitiger und häufiger in Anspruch nehmen“, sagt Dr. Norbert Teig von der Kinderklinik.

Vorgaben wurden seit 20 Jahren nicht geändert

Die Untersuchungen U1 bis U9 vom Baby bis zum Schulbesuch sind komplett überarbeitet worden. Die Ärzte legen neben den reinen Medizin-Checks zur altersgemäßen Entwicklung nun mehr Wert auf soziale und psychische Aspekte, erläutert AOK-Niederlassungsleiter Klaus Bechler. Überprüft werde zum Beispiel, ob die Kinder in Anwesenheit von Mutter und Vater „zufrieden wirken“.

„Es bestand Nachholbedarf“, erkennt Dr. Teig. Zuletzt seien die U-Vorgaben vor 20 Jahren angepasst worden. Seither habe sich gesellschaftlich vieles verändert. Die Zahl der Kinder etwa mit ADHS-Syndrom oder anderen Verhaltensauffälligkeiten sei massiv gestiegen. Auch gebe es deutlich mehr alleinerziehende Mütter, die bei der Erziehung ihrer Kinder in besonderer Weise belastet sind. Deshalb sei es wichtig, dass bei der Früherkennung auch die familiäre Situation und emotionale Entwicklung begutachtet wird. „Kinder“, betont Dr. Teig, „haben ja nicht nur einen Körper, sondern auch eine Seele.“

Depressionen beginnen schon früh

Die sei in immer jüngeren Jahren verletzt, beobachtet Dr. Susanne Schmiegel-Guwin. „Auch bei Kleinkindern gibt es Depressionen, die sich in Ess- und Schlafstörungen zeigen“, sagt die niedergelassene Kinderärztin, die die Ausweitung der U-Termine begrüßt – wenngleich sie für die 24 Kinder- und Jugendärzte in Bochum eine Herausforderung darstelle. Die zusätzlichen Untersuchungen führten dazu, dass die Behandlungen länger dauern: „eine U4 etwa 50 Minuten“. Dies werde die Zeitnot vieler Ärzte weiter verschärfen. Dr. Schmiegel-Guwin: „Die Praxen sind voll. Wir sind schon jetzt beansprucht bis unter die Decke, auch wegen des Zustroms der Flüchtlingskinder.“ Die neuen „Us“ könnten die Wartezeiten von Kindern und Eltern somit verlängern.

Wahrnehmen sollten Eltern die Untersuchungen aber unbedingt, können sie für die Entwicklung der Kinder doch lebenswichtig sein, bekräftigen die Kinderärzte und Krankenkassen. Das bekannte gelbe Heft bleibt dabei erhalten, wird laut AOK aber in einer neuen Version bis zur U6 ausgegeben. Ab der U7 werden die Ergebnisse auf Einlegeblättern dokumentiert.

>>> Stadt kontrolliert Untersuchungen

  • Eltern, die die Frühuntersuchungen nicht wahrnehmen, erhalten Post von der Stadt. Nur bei einem begründeten Verdacht auf Verwahrlosung meldet sich das Jugendamt zu einem Hausbesuch an.
     
  • Ansonsten gibt es freundliche Hinweise auf Hilfsangebote. Im Jahr 2015 (neuere Zahlen gibt’s nicht) ist das in Bochum in 1900 Fällen passiert.