Bochum. Sieben Wohnungsbaugenossenschaften geben 2017 für Neubauten und Sanierungen besonders viel Geld aus. Die Selbstverwaltung wird neu entdeckt.
- Fast 12 000 Wohnungen in Bochum sind im Besitz von sieben Wohnungsbaugesellschaften
- Die investieren in ihren Bestand und in 207 neue Wohnungen in diesem Jahr besonders viel Geld
- Überhaupt wird die selbstverwaltete Wohnungswirtschaft offenbar neu entdeckt
Knapp 200 000 Wohnungen gibt es in Bochum. Das hört sich viel an, ist tatsächlich aber zu wenig, um den wachsenden Bedarf an Wohnraum zu decken. Jährlich 700 bis 800 Wohnungen müssen nach Schätzungen des Gutachterbüros Empirica bis 2020 entstehen – um den Bestand zu erhöhen oder Ersatz für alte, zum Teil nicht marktgerechte Immobilien zu schaffen.
Zumindest in diesem Jahr wollen die Bochumer Wohnungsbaugenossenschaften einen beträchtlichen Anteil dazu leisten, um diese Lücke zu schließen. 207 Mietwohnungen werden sie 2017 errichten und planen insgesamt für Neubau, Sanierung und Unterhalt ihrer Immobilien mit einer Investitionssumme von rekordverdächtigen 60,8 Millionen Euro.
Investitionen gelten als Spitzenwert
„Das ist schon ein Spitzenwert, wir geben nicht jedes Jahr so viel Geld aus“, sagt Oliver Krudewig, Geschäftsführer der Baugenossenschaft Bochum. Mit den Investitionen reagierten sieben großen Genossenschaften in der Stadt auf die aktuelle Marktsituation. Zumal ihre Wohnungen besonders begehrt sind. „Grundsätzlich haben wir einen sehr großen Zulauf“, so Krudewig. Der Grund liege auf der Hand: „Wir nehmen genau die Miete, mit der wir alle Kosten und Bedarfe decken. Mehr nicht.“ Auf dieses Weise spare ein Mieter einer 75-qm-Neubauwohnung etwa 225 Euro Kaltmiete monatlich; eben das Geld, das ein Vermieter in der Regel als Gewinn abschöpfe.
Um Gewinn gehe es den Wohnungsgenossenschaft, deren Mieter zugleich auch Mitglieder und damit sozusagen Eigentümer sind, gar nicht. „Warum sollten wir ihnen bei der Miete wegnehmen, was wir dann als Gewinn wieder an sie ausschütten?“ Das Prinzip der Selbstverwaltung sei gerade jetzt das große Plus der Wohnungsbaugenossenschaften bei den Mieten.
Neue Genossenschaft gegründet
Allerdings, räumt der Geschäftsführer ein, gehe es Interessenten zunächst weniger um die genossenschaftliche Idee. „Es gibt nicht mehr so viel Idealismus. Unser Produkt ist begehrt.“ Aber: Wer erst einmal einer Genossenschaft angehöre, interessiere sich sehr häufig auch für die Hintergründe und engagiere sich etwa in der Selbstverwaltung. Und: „Genossenschaften erleben gerade eine Renaissance“, sagt Oliver Krudewig.
So hat sich etwa die Wohnungsgenossenschaft „Krone Bochum“ gegründet, die bis 2019 ein Mehrgenerationshaus an der Kronenstraße errichten möchte. Mehr als fünf Millionen Euro wollen die jetzt 31 Mitglieder aus Eigenmitteln und Krediten in das Projekt stecken. Das Genossenschaftsmodell lag dabei auf der Hand, so Mitgründerin Barbara Jessel. „Für eine Solidargemeinschaft wie diese ist es das beste Organisationsmodell“, sagt die Ratsfrau der Grünen.
Auch die heimische Wirtschaft profitiert
Und ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. Zumindest die etablierten Genossenschaften sehen zu, dass ein Großteil des ausgegebenen Geldes der heimischen Wirtschaft zukommt. Reparaturen, Sanierungen, Wartungsarbeiten: „Möglichst viele Aufträge werden an heimische Firmen vergeben“, sagt Baugenossenschafts-Geschäftsführer Krudewig. „Das kann ich bestätigen“, so Johannes Motz, Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft. Zahlen lägen ihm zwar nicht vor. „Aber ich weiß von vielen Betrieben, dass sie Aufträge der Genossenschaften bekommen. Das ist häufig ein Thema bei Innungsversammlungen.“
Damit sind die Wohnungsgenossenschaften ein wichtiger Player in der heimischen Wirtschaft. Schließlich besitzen sie fast 12 000 Wohnungen, fünf Prozent des gesamten Bestands, einige Tausend Garagen sowie etliche Gewerbeimmobilien. Bald kommen 44 Wohnungen hinzu. Die baut gerade der Gemeinnützige Wohnungsverein an der Friedrich-Harkort-Straße in Wiemelhausen. Allein dafür werden 10,5 Millionen Euro investiert.