Bochum. . Neun Zeitzeugen besuchten die Heinrich-Böll-Gesamtschule. Die Schüler der zehnten Klasse hingen an ihren Lippen. Vergangenheit wird so real.
- Regelmäßig sind Zeitzeugen des zweiten Weltkriegs in der Heinrich Böll Gesamtschule zu Besuch
- Horst Spieckermann suchte für dieses Projekt intensiv nach erzählfreudigen Senioren
- Für die Schulkinder wird der Geschichtsunterricht damit real erlebbar
Was das Naziregime für die Deutschen bedeutet, bekommen Schüler oft nur über die toten Buchstaben in Geschichtsbüchern mit. Leben bekommt die Vergangenheit erst dann, wenn Zeitzeugen ins Erzählen kommen. Die Heinrich-Böll-Gesamtschule möchte den Schülern der zehnten Klasse dieses Erlebnis nicht vorenthalten und veranstaltet deshalb regelmäßig Treffen mit Menschen, die aus ihrem damaligen Leben erzählen.
Gerhard Riedl, heute 78, hat diese Zeit als Kind miterlebt. Er ist voller Erinnerungen, die er den jungen Menschen mitgeben möchte. Zum Beispiel erzählt er von den knappen Essensvorräten, wie die Menschen vom Ruhrgebiet ins Münsterland gingen, um etwas zu essen zu bekommen.
Bilder, die nicht aus dem Kopf verschwinden
Und von den Bildern und Geräuschen, die sich in seinen Kopf eingebrannt haben. Wenn zum Beispiel die Flugzeugstaffeln mit Hunderten Flugzeugen über seinen Kopf brausten: „Sie waren noch zehn Minuten weg, aber wir hörten schon die Motorengeräusche.“ Auch von dem Erlebnis, wie sein Opa, seine Mutter und er auf dem Feld von einem Flugzeug beschossen worden, wird nie wieder aus seinem Gedächtnis verschwinden: „Ich konnte sogar den Piloten im Cockpit erkennen.“ Gebannt hängen die Schüler an den Lippen der neun Zeitzeugen, die am Donnerstag in die Schule gekommen sind. Zu kleinen Gruppen sitzen sie zusammen, tauschen sich persönlich aus.
WAZ-Artikel gab den Ausschlag
Ermöglicht hat das gemeinsame Treffen Horst Spieckermann. Der 75-Jährige las vor einiger Zeit in der WAZ einen Artikel über einen 114-jährigen Franzosen, der damals der letzte noch lebende aktive Soldat im Ersten Weltkrieg war. Der Ex-Soldat war bis zu seinem Tod durch Schulen gegangen und hatte seine Geschichte erzählt: „Da dachte ich mir, das könnte man ja auch mal machen“, so Spieckermann. Also suchte er über diverse Senioren-Initiativen Zeitzeugen des Zweiten Weltkriegs. Fünf bis sechs Mal im Jahr besucht er nun mit ihnen Schulen in Herne und Bochum.
Schüler lernen etwas fürs Leben
Vor drei Jahren wurde schließlich Helmut Berg, Koordinator für Fremdsprachen an der Heinrich-Böll-Schule, auf die Aktion aufmerksam und konnte den Herner in die Schule holen. „Die Schüler haben damit im Prinzip etwas fürs Leben gelernt“, sagt er. Und auch die Schüler sind begeistert. „Geschichte wird so real“, sagt die 16-jährige Leah. Sonst lerne man aus dieser Zeit schließlich nur aus Geschichtsbüchern.