Bochum. . Die Stadt Bochum veranstaltete am Samstag im Ruhrcongress eine Bürgerkonferenz. Gesucht wurden Ideen für die Zukunft. 278 Bürger machten mit.

  • 278 Bürger machen sich im Ruhrcongress Gedanken über die Zukunft Bochums
  • Oberbürgermeister Eiskirch will ein 1000-Bänke-Programm an den Start bringen
  • Teilnehmer wurden nach dem Zufallsprinzip aus dem Melderegister ausgesucht

Lebenswerte Stadtteile, hervorragende Schulen und Bildungsangebote sowie gute Jobs für alle – das sind die Top-Themen der Bürger Bochums. Das Ergebnis der 1. Bürgerkonferenz, zu der Oberbürgermeister Thomas Eiskirch (SPD) am Samstag in den Ruhrcongress eingeladen hatte, ist eindeutig.

278 Bürger, fast 100 weniger als die 371 eingeladenen (pro 1000 Bürger einer), arbeiteten sechs Stunden lang konzentriert an der Zukunft unserer Stadt. Die Aufgabe war klar definiert: Passend zu fünf von der Stadtverwaltung definierten Kompetenzfeldern, sollten konkrete Ziele formuliert werden, die den Bürgern wichtig sind.

Oberbürgermeister stellt Ideen vor

Ausgesucht wurden die Konferenzteilnehmer durch eine Zufallsstichprobe aus dem Melderegister, die sicherstellte, dass Geschlecht, Alter, Nationalität und Wohnorte die Bochumer Bürgerschaft repräsentativ widerspiegeln. 80 Verwaltungsmitarbeiter begleiteten die Veranstaltung, an der auch die komplette Stadtspitze und knapp 30 Politiker aus den im Rat vertretenen Parteien teilnahmen.

Bürgerkonferenz im Ruhrcongress: 278 Bürger nahmen teil und arbeiteten in Kleingruppen.
Bürgerkonferenz im Ruhrcongress: 278 Bürger nahmen teil und arbeiteten in Kleingruppen. © Pollkläsener

OB Eiskirch stellte zwei mögliche Ideen vor: ein 1000-Bänke-Programm für mehr Aufenthaltsqualität in der Stadt und den Bau einer olympiatauglichen Skateranlage. „So etwas gibt es bis jetzt in Deutschland nicht“, sagte Eiskirch und verwies darauf, dass Skaten 2020 in Tokio olympische Sportart wird. Während er mit den Bänken voll ins Schwarze traf, war vom Skaten später an den Tischen kaum noch die Rede.

Teilnehmer müssen Geduld mitbringen

Zeit und Geduld muss mitbringen, wer es mit der Stadtverwaltung Bochum zu tun bekommt. Das gilt für eine Bürgerkonferenz zur Zukunft unserer Stadt halt ebenso wie für den schlichten Behördengang.

Fast 90 Minuten lang gaben Oberbürgermeister Thomas Eiskirch (SPD) und seine Dezernenten den 278 Teilnehmern am Samstagmorgen im Ruhrcongress Infos auf die Ohren, ehe die eigentliche Arbeit beginnen konnte. Die Idee der Bochum Strategie musste erst einmal unters Volk gebracht werden. „Ich hätte mir schon mehr Raum für freie Diskussionen und das Einbringen von Ideen gewünscht“, bewertete Uta Sanio (30) dieses Szenario.

Gruppenarbeit an 50 Tischen

An fast 50 Tischen schmiedeten anschließend in zwei Runden jeweils fünf bis acht Personen Ideen für die Zukunft Bochums. Mitarbeiter der Verwaltung moderierten, Politiker lauschten. Die Gruppen wurden per Los bestimmt.

Ideen für die Zukunft ihrer Stadt: Philip Sigesmund und Ilse Helga Edith Dreischer.
Ideen für die Zukunft ihrer Stadt: Philip Sigesmund und Ilse Helga Edith Dreischer. © Klaus Pollkläsener/FUNKE Foto Services

Schon zur Mittagspause zeichnete sich ab, was altgedienten Kommunalpolitikern klar sein müsste: Die Lebensqualität in den Stadtteilen ist das A und O für die Bürger. Vermisst werden häufig schöne Plätze zum Sitzen und Verweilen und Räume für Begegnungen – für alle Generationen, aber auch für das Miteinander von Alt und Jung.

Bürger wünschen sich Markthalle in der Innenstadt

Gewünscht werden mehr Feste und Veranstaltungen in den Quartieren, mehr Grün und Sauberkeit, bessere Geh- und Radwege sowie Straßen und eine bessere Anbindung an den ÖPNV. Aber auch für das Zentrum gibt es Forderungen: eine Markthalle, schönere Plätze, kostenfreies Parken, mehr Veranstaltungen von Bochumern für Bochumer wie den Musiksommer.

Auf Papiertischdecken hielten die Teilnehmer ihre Ideen fest. Foto: TS
Auf Papiertischdecken hielten die Teilnehmer ihre Ideen fest. Foto: TS

In der Prioritätenliste der Bürger folgen mit Abstand die Themen schulische Bildung, chancengerechte Förderung und gute Beschäftigung auf dem Arbeitsmarkt. Auch die Stadt als Dienstleister ist gefragt, sowohl mit digitalen Angeboten als auch mit der Möglichkeit zum persönlichen Kontakt. Online ist nicht alles.

Kultur und Marketing-Deutsch fallen durch

Wenig bis gar nichts anfangen können Bürger mit dem Marketing-Deutsch, das Teil der Bochum-Strategie ist: Hotspots, Innovationskultur, inspirierende Lernorte... Kaum eine Rolle spielten auch die Schwerpunkte im Bereich Kultur. „Wir sind halt gut aufgestellt“, sagte Dezernent Michael Townsend, „ich kann mir Triennale-Karten für 80 Euro nicht leisten“, eine Teilnehmerin.

Kämmerer sieht Chancen für Realisierung

Apropos Geld: Natürlich stellten viele Bürger ihre Wünsche angesichts der Haushaltslage der Stadt unter Vorbehalt. Kämmerer Manfred Busch indes sieht das entspannter: „Wir investieren jedes Jahr 100 Millionen Euro, wenn wir davon 50 Millionen in Projekte lenken, die sich die Bürger wünschen, können wir viel erreichen.“

Die Stadtverwaltung will die Ergebnisse der Konferenz, die rund 50.000 Euro kostete, möglichst schnell auswerten und der Politik zur Fortschreibung der Bochum-Strategie vorlegen.

Kommentar von Thomas Schmitt: „1000 Bänke reichen nicht“

Das Ergebnis der Bürgerkonferenz von Samstag überrascht nicht. Die Qualität im eigenen Lebensumfeld ist das, was bei den Menschen in erster Linie zählt. Das eigentlich Überraschende ist, dass es diese Konferenz gegeben hat. Selbstverständlich ist das nicht, allzu oft nur werden Entscheidungen getroffen, ohne diejenigen, die es betrifft, mit einzubeziehen.

Nur: Bürger befragen allein reicht nicht. Das hatten wir schon einmal im Zuge der Haushaltsberatungen 2011/2012. Es war damals eine reine Alibiveranstaltung für die Bezirksregierung. Die Prioritäten aus der Bevölkerung hat die Politik seinerzeit weitgehend ignoriert.

Ob die 50.000 Euro, die die Konferenz Samstag gekostet hat, gut investiert worden sind, werden demnach erst die nächsten Monate, beziehungsweise Jahre zeigen. Das 1000-Bänke-Programm hat OB Eiskirch bereits eingepreist. Damit trifft er den Nerv der Bürger. Dabei bleiben sollte es aber nicht. Und noch etwas hat die Konferenz gezeigt: Viele Begriffe der Bochum Strategie klingen toll, sind aber doch nur leere Worthülsen und Phrasen, die Bürger ziemlich kalt lassen und Distanz statt Nähe schaffen.