Bochum. Beim Festival „Theatertexte NL“ öffnet sich das Schauspielhaus kreativen Dramatikern aus dem Nachbarland. Grolsch und Poffertjes gehören dazu.
- Bochums Theater macht mit einem Festival auf die zeitgenössische Dramatik in Holland aufmerksam
- Eine kreative Theaterregion, die wegen fehlrender Übersetzungen der Texte etwas abseits steht
- Nach den Vorstellungen und Lesungen gibt’s am Wochenende auch Raum fürs Publikumsgespräch
Auf der Achse Bochum – Holland ist seit einer Weile ziemlicher Verkehr. Nicht nur der künftige Intendant Johan Simons ist bekanntlich waschechter Niederländer. Auch unter der amtierenden Leitung Anselm Webers werden die guten Beziehungen zu unseren westlichen Nachbarn auffallend gepflegt.
So sind mit Paul Koek und Eric de Vroedt regelmäßig zwei bekannte NL-Regisseure zu Gast am Schauspielhaus. Beim „Steppenwolf“ – Premiere war am Wochenende – sorgt der Musiker Jeroen „Eboman“ Hofs für Sounds und Videos, bei den „Truck Tracks Ruhr“ mischen die Künstler Lotte van den Berg und Dries Verhoeven mit. Und mit dem Drama „Gift. Eine Ehegeschichte“ von Lot Vekemans steht eines der am häufigsten gespielten Stücke aus holländischer Feder auf dem Spielplan, das seinen Siegeszug mittlerweile bis nach Peking angetreten hat.
Erst Berlin, jetzt Bochum
Allein: Abseits des „Gift“-Exportschlagers hat es die Theaterliteratur aus dem Nachbarland leidlich schwer, sich durchzusetzen. Der Grund ist simpel: „Die Stücke werden einfach selten übersetzt“, weiß Schauspielhaus-Dramaturgin Annelie Mattheis. Meist entstehen die Dramen als gemeinsame Arbeiten innerhalb der NL-Theatergruppen und werden danach kaum wieder aufgeführt. Mattheis: „Wenn sich kein Verlag dafür stark macht, bleiben sie unbekannt.“
Theaterautoren von internationalem Renommee
Theater ohne Grenzen
Johan Simons, Intendant in spe, ist unter anderem geholt worden, um die Internationalisierung des Theaters voranzutreiben. Man darf gespannt sein, was da kommt. Man darf aber auch sagen: Es ist absolut nicht so, dass der Blick über Ländergrenzen hinweg nicht auch von Anselm Weber gewagt wurde.
Im Gegenteil. Seit dem Amtsantritt des Münchners in Bochum 2010 sind regelmäßig Künstler aus allen möglichen Ländern zu Gast gewesen. Dass die Niederlande dabei sehr oft genannt werden, liegt schon wegen der direkten Nachbarschaft nahe. Aber natürlich auch wegen des künstlerischen Gehalts; man denke an Eric de Vroedts starke Inszenierung „Freitag“ oder Paul Koeks musikalisierten „Steppenwolf“.
„International Style“ ist also fürs Schauspielhaus längst kein Fremdwort mehr. Interessant bleibt, wie unterschiedlich Weber und Simons den Begriff mit Leben füllen (werden). JBS
Doch das soll jetzt anders werden, dachte sich ausgerechnet Lot Vekemans. Die Dramatikerin (*1965) ist eine der wenige holländischen Theaterautoren von internationalem Renommee und möchte die Arbeiten ihrer Kollegen stärker nach vorne bringen. Gemeinsam mit ihrer Stiftung stellt sie das Festival „Theatertexte NL: Neue Stimmen aus den Niederlanden“ auf die Beine, das am 10. und 11. Februar im Schauspielhaus zu sehen ist. Nach dem Deutschen Theater Berlin bietet damit ein zweites großes Haus den Niederländern eine Bühne.
Zu erleben sein werden drei szenische Lesungen, die von Anselm Weber, Eric de Vroedt und dem Dramaturgen Olaf Kröck eingerichtet werden. „Die Auswahl bildet ein Panorama der aktuellen niederländischen Dramatik ab“, erzählt Olaf Kröck, „und da sind unglaublich spannende Stimmen dabei.“ Jedes Stück ist eine deutsche Erstaufführung, 17 Schauspieler aus dem Ensemble und zwei Gäste vom Nationaltheater Den Haag machen mit. Auch die Autoren selber sind dabei und stehen im Anschluss an die Vorstellungen zum Publikumsgespräch im Tana’s bereit.
Vortrag zum Festival-Auftakt
Los geht’s am Freitag (10.2.) um 19 Uhr mit einem Vortrag über „Neue Stimmen aus den Niederlanden“ in den Kammerspielen. Um 19.30 Uhr wird das Stück „Sprachflut“ des jungen Autors Frank Siera gelesen (mit Jürgen Hartmann, Daniel Stock und Raiko Küster, Leitung: Eric de Vroedt). Der Intendant selber richtet im Anschluss (21 Uhr) das Stück „Genesis“ von Sophie Kassies ein. Aus dem monumentalen Werk über die Bibel wird der dritte Teil präsentiert, als Schauspieler sind u.a. Michael Kamp, Roland Riebeling und Bernd Rademacher dabei.
Geselliger Künstler-Ausklang in der Kantine
Seinen Abschluss findet das Festival am Samstag (11.2.) um 20 Uhr mit „Am Kanal nach links“ von Alex Warmerdam im Theater Unten. Der Autor arbeitet auch als Filmregisseur, sein Film „Borgman“ war 2013 für einen Oscar nominiert. „Das Stück ist ziemlich düster“, sagt Olaf Kröck, der Warmerdam in einer Traditionslinie mit dem finnischen Film-Guru Aki Kaurismäki sieht. An der Lesung beteiligen sich u.a. Henrik Schubert, Martin Horn und Anke Zillich.
Danach gibt’s in der Kantine einen geselligen Ausklang – stilecht mit Grolsch und Poffertjes, den kleinen, leckeren Pfannkuchen.