Bochum. Bochum benötigt dringend mehr Wohnungen. Politik und Verwaltung drücken jetzt aufs Tempo. Tatsächlich wird zurzeit viel gebaut, aber auch teuer.
- Der Nachholbedarf in Sachen Wohnungsbau ist in Bochum immens, mehrere tausend Wohnungen fehlen
- Seit kurzem haben sich die Bauaktivitäten in der Stadt allerdings „enorm entwickelt“, wie die Sparkasse sagt
- Gleichzeitig sind die Kaufpreise für Neubauimmobilien aufgrund der Baukosten enorm nach oben geschossen
Man könnte meinen, Markus Bradtke ist auf Rekordjagd. Bebauungspläne für mehr als 1000 Wohneinheiten will der Stadtbaurat in diesem Jahr bearbeiten lassen. Nicht zuletzt damit der geförderte Wohnungsbau nach dem ersten Schub im Vorjahr mit einer Verdreifachung der Fördersumme auf 25 Millionen Euro weiter wachsen kann und künftig wieder mehr Gelder aus Düsseldorf fließen.
In der Vergangenheit waren immer wieder bereits bewilligte Millionen mangels Nachfrage zurückgeschickt worden. Das ist fatal, der Sozialwohnungsbestand hat sich in den vergangenen 15 Jahren um mehr als die Hälfte auf knapp 14 000 Wohnungen und damit etwa sieben Prozent des Gesamtbestandes verringert.
Bauen sollen boomen
Nun soll Bauen in Bochum boomen – im privaten wie im öffentlichen Bereich, bei Ein- und Zweifamilienhäusern ebenso wie im Geschossbau, gefördert oder nicht gefördert. Damit das gelingt, sind trotz des Personaldeckels zusätzliche Stellen in der Verwaltung ausgeschrieben. Nach Jahren gefühlter Lethargie steht das Bauen ganz oben auf der Tagesordnung.
Kein Wunder: Das von der Stadt beauftragte Gutachterbüro Empirica sieht vor allem kurzfristig großen Nachholbedarf. Bis einschließlich 2020 sollen jährlich etwa 700 bis 800 neue Wohnungen gebaut werden, davon 140 bis 200 im geförderten Wohnungsbau, um der Nachfrage in einer nicht nur durch den Flüchtlingszuzug offenbar wieder wachsenden Stadt gerecht zu werden – und das in allen Größen und Lagen und für unterschiedliche Preissegmente. Außerdem gehe ein bedeutender Anteil „auf die qualitative Zusatznachfrage aufgrund des vergleichsweise hohen Anteils veralteter Wohnungsbestände zurück“, heißt es in der Verwaltung. Zwei von drei Wohnungen wurden vor 1970 errichtet und entsprechen oftmals nicht mehr den heutigen Anforderungen.
Angeschoben wird die Wohnungsbauinitiative nicht nur mit mehr Personal und einer effizienteren Struktur in der Verwaltung sowie mehr bereitgestellten Flächen, 2017 sollen 20 städtische Grundstücke für 237 Wohneinheiten verkauft werden; Platz für beinahe sechsmal so viele Wohnungen wie noch 2015.
Alle Akteure beteiligen
Anders als beim gescheiterten Wohnbaulandprogramm, das im Vorjahr zu den Akten gelegt wurde, will die Stadt alle Akteure – Bauwirtschaft, Immobilienunternehmen, potenzielle Bauherrn und Verwaltung – an der Entwicklung einer neuen Strategie beteiligen. Diese heißt „Handlungskonzept Wohnen“ und soll noch vor der Sommerpause vorgestellt werden.
Mit Investorenkonferenzen und Workshops wurden bereits die Interessen ausgelotet, in zwei weiteren Arbeitstreffen im Februar und April sollen sie verfeinert werden. „Wir müssen wissen, wie es in den nächsten 15 Jahren weitergehen soll“, sagt Stadtbaurat Markus Bradkte. Die große Linie, das Handlungsprogramm, soll in den nächsten Monaten festgezurrt sein, an der Umsetzung und den Feinheiten immer wieder gearbeitet und neu justiert werden. Längst Fahrt aufgenommen hat dabei auch der auf dieser Panorama-Seite vorgestellte, frei finanzierte Bau von Ein- und Zweifamilienhäusern.
Bauaktivitäten haben sich „enorm entwickelt“
Für 20 Familien an der Hofsteder Straße hat sich der Traum vom Eigenheim bereits im vorigen Sommer erfüllt: Sie zogen in ihr lang ersehntes eigenes Haus. Viele weitere werden dieses Glück in diesem Jahr oder im darauffolgenden erleben. Denn nach jahrelangem Fast-Stillstand auf dem Grundstücksmarkt für Einfamilienhäuser ist das Angebot kräftig angewachsen. Die Bauaktivitäten, sagt Kirsten Gehrmann, Leiterin des größten Immobilienmaklers Bochums, des Immobilienservices der Sparkasse, „haben sich enorm entwickelt“. Gleichzeitig sei „die Nachfrage extrem stark – egal ob es sich um gebrauchte oder neue Immobilien handelt“.
Durch die rechtliche Gestaltung des Wohnbaulandkonzeptes seien neue Bebauungspläne „für mindestens drei Jahre blockiert“ worden, sagt Kirsten Gehrmann. Das habe sich geändert. „Jetzt kommen die ersten Bebauungspläne endlich auf den Markt. Hinzu kommt, dass die Bauträger entdeckt haben, dass Bochum einen sehr stabilen Markt hat.“
Große Nachfrage beim „Wohnpark Hiltrop“
Eines der großen Neubaugebiete, das die Bagger zurzeit vorbereiten, heißt „Wohnpark Hiltrop“. Er liegt an der Dietrich-Benking-Straße und bietet 51 Grundstücke für Einfamilienhäuser. Alle sind reserviert. Die Nachfrage war riesig: Es gab 170 Bewerber, teilte der Verkäufer, die Wirtschaftsentwicklungsgesellschaft Bochum, mit. Ende April soll der Bebauungsplan rechtskräftig werden. Weitere Neubaugebiete – teilweise schon fertig bebaut – sind Flächen „Am alten Sägewerk“ und „Mark’scher Bogen“ in Weitmar.
Preise wegen der Baukosten stark gestiegen
Allerdings ist der Kauf eines Neubaus teuer geworden. Pro Quadratmeter Wohnfläche muss mit 3000 bis 4000 Euro gerechnet werden. Hinzu kommen noch Nebenkosten wie die Grunderwerbssteuer: satte 6,5 Prozent auf den kompletten Kaufpreis, auch des Grundstücks. Kirsten Gehrmann: „Leider sind aufgrund der Baukosten auch die Kaufpreise enorm gestiegen.“ Allein die neue Energieeinsparverordnung habe die Kosten um bis zu zehn Prozent nach oben gedrückt. Außerdem gebe es die Neubautätigkeiten nur noch in den teureren Lagen, etwa im Bochumer Süden. „Die aktuellen Preise können nur sehr schwer bis gar nicht in mittleren bis schwächeren Lagen am Markt platziert werden. Kostengünstiger Wohnraum ist kaum noch herstellbar.“
Familien mit Durchschnittseinkommen, wo immer man dieses ansetzt, werden es nicht einfach haben, sich in Bochum ein nagelneues Häuschen zuzulegen. „Auf jeden Fall gibt es genügend Häuser auch auf dem Gebrauchtmarkt“, sagt Kisten Gehrmann. „Bei den Neubaumaßnahmen wird es schon schwieriger.“