Bochum. . Die Ruhr-Uni Bochum ist seit 2006 als familiengerechte Hochschule zertifiziert. Studierenden Eltern fehlt jedoch flexible Kurzzeitbetreuung.

  • Studierende mit Kindern wünschen sich mehr Kapazitäten für Betreuungsplätze
  • Die Vereinbarkeit von Studium und Familie bedeutet ein hohes Stresspensum, Stipendium entlastet
  • Ruhr-Uni bietet etwa Wickel- und Stillmöglichkeiten, vergünstigtes Mittagessen und eigene Kindergärten

Studentin Anne kommt zu spät zur Vorlesung. Abgehetzt setzt sie sich auf einen der letzten freien Plätze. „Wenn Sie kein Interesse haben, sollten Sie lieber draußen bleiben“, kommentiert der Professor mit Blick auf die Uhr. „Wenn Sie wüssten“, denkt sich die Studentin. Denn sie hat nicht verschlafen oder beim Frühstück getrödelt, sondern versucht ihre Kinder zu überreden, sich anzuziehen. Sie studiert Jura und ist Mutter von Zwillingen: Eine doppelte Doppelbelastung. „Studieren mit Kindern bedeutet für mich: Hetzen“, sagt die 30-Jährige. Sie sei alleinerziehend und könne für die Betreuung der Kinder auf keine Angehörigen zurückgreifen.

Wie es um die Angebote seitens der Ruhr-Uni stehe? „Ich habe nicht viel wahrgenommen“, sagt sie. Das liege bestimmt daran, dass sie mit Vorlesungen und Lernen beschäftigt sei, aber: „Ich habe damals bei einem Unikindergarten angefragt. Er war überfüllt“. Mit bis zu einem Jahr Wartezeit müsste sie rechnen, habe man der Jura-Studentin gesagt.

Kapazitäten für Kinderbetreuung reichen nicht aus

Erzieherin Tine Menzel von der Elterninitiative Unizwerge, die Kinder wöchentlich zwischen 10 und 40 Stunden betreut, kennt das Problem: „Oft rufen Eltern an und suchen kurzfristige Betreuung für ihre Kinder. Das können wir leider nicht bieten“. Man arbeite mit festen Verträgen, Anmeldungen und Wartelisten. „Wir betreuen Kinder in Gruppen von maximal 14 Kindern, zwischen 8 und 16 Uhr“, so Menzel.

Für Anne ist auch das problematisch: „Teilweise habe ich Vorlesungen bis 19.30 Uhr oder früh morgens, dann schaffe ich es nicht, gleichzeitig an zwei Orten zu sein“. Sie hat einen Kindergartenplatz in Uni-Nähe bekommen. Peter van Dyk vom Akademischen Förderungswerk (Akafö), das zwei Uni-Kitas betreibt, sagt: „Die soziale Infrastruktur ist mit zunehmender Studierendenzahl nicht mitgewachsen. Diejenigen, die einen Platz in einem unserer Angebote haben, sind zwar sehr zufrieden, die Kapazitäten reichen aber nicht aus“. Rund 90 Kinder betreue man an der Lennershofstraße, weitere 110 Kinder besuchten das Angebot „Unikids“, welches sich auch an lehrende Eltern richtet. Den Wunsch nach Kurzzeitbetreuung und flexiblen Zeiten könne er nachvollziehen.

Finanzierung ist schwierig

Nicht nur die Betreuung ihrer Sprösslinge beschäftigt Eltern, auch die Finanzierung des Lebensunterhaltes ist ein Thema. „Neben Kinder-, Elterngeld, Bafög und der Befreiung von Studienbeiträgen bietet die Ruhr-Uni ein Stipendienprogramm für Eltern namens „Spielraum“ an, welches Studierende bis zu zwei Semestern fördert“, sagt Kathrin Humpert-Frey von der Studienberatung. Studierende fänden bei der zentralen Studienberatung in allen Fragen rund um das Thema „Studieren mit Kind“ Anlauf.

Die Ruhr-Universität, die sich mit den drei Dimensionen „Menschlich, weltoffen, leistungsstark“ beschreibt, will Eltern bei der Vereinbarkeit von Studium und Familie unterstützen. Seit 2006 trägt sie das Zertifikat „familiengerechte Hochschule“ und ist mit Still- und Wickelräumen ausgestattet. Auch in der Mensa sind die Kleinen willkommen: „Kinder erhalten ein Mittagessen für 1,50 Euro und es gibt Hochstühle“, sagt van Dyk. Anne hat noch einen Wunsch: „Ich wünsche mir, mehr Verständnis vom Umfeld zu bekommen. Auch wenn viele Kommilitonen vielleicht eine andere Lebenswelt haben, wäre die Anerkennung meiner Situation schön.“