Stefan Marx ist seit Dezember Chef des DGB Ruhr-Mark. Im Interview fordert er die Anhebung des Mindestlohns und nimmt Stellung zur AfD.
- Gebürtiger Oberhausener seit Dezember neuer Chef des DGB Ruhr-Mark
- 49-Jähriger zuletzt Organisationssekretär des DGB in Paderborn
- Thema Arbeitsplätze schwebt über allem – aber nicht um jeden Preis
Der DGB Ruhr-Mark hat einen neuen Geschäftsführer. Seit Anfang Dezember steht Stefan Marx an der Spitze der Dachorganisation von acht Einzelgewerkschaften. Der 49-Jährige ist gebürtiger Oberhausener und arbeitete zuletzt als Organisationssekretär des DGB in Paderborn.
Herr Marx, Sie sind wieder im Ruhrgebiet angekommen.
Stefan Marx: Und ich bin auch ganz froh, wieder hier im Revier zu sein. Das soll aber nicht heißen, dass es mir in Ostwestfalen-Lippe nicht gefallen hat. Aber hier haben die Menschen einfach eine nette Art und Weise, Dinge auf den Punkt zu bringen – klar und deutlich. Das habe ich teilweise vermisst.
Wohnen Sie mittlerweile wieder im Ruhrgebiet?
Nein, im Moment noch in Paderborn. Das wird sich aber ändern. Als DGB-Regionsgeschäftsführer habe ich nun zwei Büros: eins in Hagen und eins in Bochum. In Hagen suche ich nach einer Wohnung. Dass ich lange Zeit nicht hier gearbeitet habe, sehe ich als Vorteil: Ich komme ganz unbelastet hierher, habe keine ideologischen Scheuklappen auf. Ich werde auch den Austausch mit Einzelhandels- und Unternehmerverband suchen – wenn es denn passt.
Was können die Menschen von Ihnen erwarten?
Mich selbst sehe ich als Mahner – in der Gesellschaft und Politik. Klar schwebt über allem das Thema Arbeitsplätze. Aber nicht um jeden Preis. Mir geht es um Mitbestimmung und darum, dass die Leute Tarifverträge bekommen. Natürlich werde ich auch ein Auge darauf haben, ob Gesetze eingehalten werden.
Wie und wo möchten Sie in Bochum als Mahner auftreten?
Ein wichtiges Thema ist das Opel-Gelände, außerdem die Logistik-Branche. Im Bereich der Fleischwaren ist es ebenfalls schwierig. Dort arbeiten Menschen aus dem Ausland und werden regelrecht ausgebeutet. Das geht nicht. Es gibt auch immer noch kleinere Firmen, wo noch Wild-West herrscht. Auch das geht nicht. Ich betone noch einmal: Bei den Arbeitsplätzen ist Qualität genauso wichtig, wie Quantität. Was nutzen denn 8,84-Euro-Jobs bei Opel-Mitarbeitern? Man darf sich nicht unter Wert verkaufen.
Die 8,84 Euro sind seit Anfang 2017 Mindestlohn.
Eben. Das kann nur das Fundament sein. Es muss weitergehen. Auch wenn die Einführung überhaupt schon eine riesen Errungenschaft war. Jeder der arbeiten geht, muss einen guten Lebensstandard haben. Eine Sache stößt mir auch bitter auf.
Die da wäre?
Die Forderung, dass Hartz-IV-Bezüge gekürzt werden sollen, um so den Abstand zum Mindestlohn zu vergrößern. Genau anders muss es aber sein! Warum erhöhen wir denn den Mindestlohn nicht deutlicher? Der Anreiz arbeiten zu gehen, ist für mehr Geld doch viel größer. Um solch ein Ziel zu erreichen muss sich in der Gesellschaft etwas ändern. Wir müssen einen Diskurs haben in dem es um eins geht: Was ist die Arbeit eines Menschen wert? Wenn ich lese, dass es beim Friseur einen Herren-Schnitt für 8 Euro gibt, dann bekomme ich das Kotzen. Auf der anderen Seite wird ein Banker aber abgefeiert.
Meine Hauptthese lautet: Gute Arbeit, gutes Leben, gute Gesellschaft. Dann entstehen auch keine populistischen Strömungen, die die AfD befeuert.
Was meine Sie damit?
Anstatt mit uns als DGB für Verbesserungen zu kämpfen, wird von einigen nach unten getreten. Ich habe E-Mails von Gewerkschaftskollegen bekommen, die sich einfache Antworten à la AfD wünschen. Da sage ich ganz klar: Entweder AfD oder DGB. Beides geht nicht. Wir stehen total konträr zueinander. Und da geht es nicht nur um Fremdenfeindlichkeit.
Sondern?
Die AfD hat den Mindestlohn als Murks bezeichnet. Es geht auch um das Familienbild und um den Arbeitsmarkt ganz allgemein. Die AfD stigmatisiert etwa Langzeitarbeitslose, und möchte Jobcenter privatisieren. Das geht nicht. Ich sehe nicht, dass ein Privater das besser macht und sage: Staat vor privat. Ich glaube daran, dass die Bevölkerung etwas erreichen kann, nur muss der Druck da sein. Beispielsweise durch Demonstrationen auf der Straße.
2017 stehen viele Wahlen an, in der Gesellschaft hat sich eine Unsicherheit breit gemacht.
Wohin will die Gesellschaft gehen? Diese Frage wird in diesem Jahr im Mittelpunkt stehen. Wir werden als DGB Flagge zeigen. Schon zur NRW-Wahl. Bei dieser Wahl wird sich zeigen, wohin sich unsere Gesellschaft bewegt. Und sollte es in eine meiner Meinung nach falsche Richtung kippen, dann kann die Reaktion nur eine sein: Noch mehr Flagge zeigen und es für die nächsten Wahlen besser machen.
Für was werden Sie noch eintreten?
Ein Hauptziel muss es auch sein, den Sonntag frei zu halten. Vielleicht gelingt uns hier etwas ähnliches wie in Münster. Dort haben sich die Bürger gegen verkaufsoffene Sonntage entschieden. So etwas erreicht man nur, wenn man mit möglichst vielen gut zusammenarbeitet. Deswegen möchte ich in meiner Arbeit schon bestehende Netzwerke übernehmen und ausweiten und natürlich auch neue schaffen.
In Paderborn haben wir es zum Beispiel geschafft, eine gemeinsame Stellungnahme vom DGB, der katholischen und evangelischen Kirche abzugeben.
>> Info:
- Stefan Marx ist in Oberhausen geboren. 1987 hat er dort sein Abitur abgelegt und im Anschluss eine Lehre zum Industriekaufmann gemacht.
- Schon während der Ausbildung engagierte sich Marx als Jugendgewerkschafter (IG Metall).
- In dem Oberhausener Betrieb blieb er, bis dieser 2003 Insolvenz anmelden musste. Während dieser Zeithatte er verschiedene Positionen der Interessenvertretung inne, zuletzt die des stellvertretenden Betriebsratsvorsitzenden.
- Nach der Insolvenz seines Arbeitsgebers wurde er 2004 Jugendsekretär bei der IG Metall.
- Anfang 2008 ging er nach Paderborn zum DGB, wo er als Organisationssekretär arbeitete.
- Anfang Dezember 2016 trat er die Nachfolge von Jochen Marquardt an. Der vorherige Regionsgeschäftsführer Ruhr-Mark starb unerwartet im Mai 2016.