Bochum. Apotheker sind schockiert. Der Verdacht, bei der Produktion von Krebsmitteln könnte Pfusch im Spiel sein, laste schwer. Es sei eine Katastrophe.
Als am Donnerstagnachmittag über ein Internetportal der Branche die Nachricht verbreitet wurde, dass ein Apotheker in Bottrop im Verdacht steht, im großen Stil Infusionen zur Krebstherapie zu niedrig dosiert zu haben (die WAZ berichtete), fiel Dr. Christian Metze aus allen Wolken. „Wenn das stimmt, wäre das eine Katastrophe“, sagt der 45-jährige Mediziner und Apotheker. Er befürchtet, das ohnehin beeinträchtigte Ärzte-Patient-Apotheker-Verhältnis könnte weiter leiden.
Der Inhaber der Herz-Apotheke im Facharztzentrum im Europahaus gegenüber dem Hauptbahnhof ist der einzige Apotheker in Bochum und einer von 300 in Deutschland, der eine Fachapotheke für Onkologie betreibt. Bis zu 7000 Infusionen werden jährlich in seinem Reinraumlabor im Europahaus hergestellt; ausschließlich für Arztpraxen in Bochum, wie er sagt.
Neue Dimension des Betrugs
Auch einen Tag nach Bekanntwerden des möglichen Skandals ist der Apotheker noch perplex. „Ich kann oder will mir nicht vorstellen, dass die Vorwürfe stimmen. Ich glaube es einfach nicht, dass er bei der Herstellung bewusst zu wenig von der verordneten Substanz eingefüllt hat.“ Er hat Zweifel aus moralischen Gründen („Den Staat mit Rezeptbetrug zu hintergehen, ist das eine, aber so etwas wäre eine neue Dimension. Ich mag mir nicht vorstellen, was in den Köpfen der Patienten und Angehörigen vorgeht“).
Gleichwohl weiß er um mögliche finanzielle Reize („Es ist viel Geld im System“) bei Ausgangspräparaten, die je 100 Milliliter mehrere Tausend Euro oder gar eine fünfstellige Summe kosten können. Davon weniger als verordnet zu vermischen, verspricht enorme Gewinne. Die Unschuldsvermutung muss aus Metzes Sicht aber auch gelten, weil es schwerlich möglich sei, den vermeintlichen Betrug alleine zu begehen; noch dazu in der Dimension von geschätzt 40 000 Fällen. Hergestellt werden die Infusionen nach dem Vier-Augen-Prinzip, in Metzes Labor sogar nach dem Sechs-Augen-Prinzip.
Im Reinraum mit der höchsten Hygienestufe arbeiten eine Herstellerin und eine Zureicherin, beide Pharmazeutisch-Technische Assistentinnen, an einer Arbeitsbank. Dort wird die vorgegebene Menge einer Medikamenten-Konzentration in eine Glucose-Lösung gespritzt. In einem davor liegenden, ebenfalls reinen Raum, beaufsichtigt eine Apothekerin die Produktion. Aus dem Produktionsraum werden die fertigen Medikamente durch eine Schleuse weitergereicht, dort verpackt und direkt in die Praxen gebracht. „Wir arbeiten auf Abruf“, erklärt Christian Metze. Produziert werde die Infusion sofort nach der Anforderung aus der Praxis. Er versichert: „Bei uns bekommen die Patienten nur das, was auf dem Rezept steht. Nicht mehr und nicht weniger.“
Laborunterhalt ist teuer
Die Branche ist entsetzt. „Dass sich jemand bereichert, indem er unterdosierte Medikamente herstellt, habe ich noch nie gehört“, sagt Ralph Hohmann, Sprecher des Bochumer Apothekerverbandes. Dass nur weniger Apotheker Infusionen zur Krebstherapie herstellen, liege an dem großen Aufwand. Etwa den Gegenwert eines Einfamilienhauses hat Dr. Christian Metze nach eigenem Bekunden in sein Labor investiert, dessen Unterhalt täglich mehrere Hundert Euro koste. „Diesen Aufwand betreiben nur wenige.“
Krankenhäuser beliefert der Bochumer nicht. Diese haben in der Regel eigene Apotheken, die die Infusionen herstellen.
Das auf dem ehemaligen Nokia-Gelände an der Meesmannstraße untergebrachte Zentrallabor des Knappschaftskrankenhauses in Langendreer etwa stellt jährlich 20 000 sogenannte Zytostatika her.