In diesem Jahr kamen bisher nur 19 jüdische Menschen aus der ehemaligen Sowjetunion.Historiker Prof. Schoeps setzt sich kritisch mit der Entwicklung in den jüdischen Gemeinden auseinander

Einen drastischen Einschnitt für die Entwicklung der jüdischen Gemeinde in Bochum bedeutete der Beschluss der Innenministerkonferenz der Länder von 2005. Seitdem sind die Zuwanderungsbedingungen für jüdische Emigranten aus der ehemaligen Sowjetunion drastisch verschärft worden.

Die Auswirkungen dieser Regelung lassen sich deutlich in der Zahl der Zuwanderungen nach Bochum erkennen. So kamen zwischen 1991 und dem 31. Dezember 2004 pro Jahr im Durchschnitt etwa 140 Menschen jüdischen Glaubens nach Bochum. Insgesamt verteilte die zuständige Landesstelle Unna-Massen 1948 Menschen nach einem bestimmten Schlüssel an die Stadt. Nach aktueller Auskunft des Sozialamtes kamen 2006 lediglich drei Personen und in diesem Jahr bis Ende August 19 Emigranten.

Eingehend mit der Zuwanderung und den Folgen für die jüdischen Gemeinden in Deutschland hat sich Prof. Dr. Julius H. Schoeps befasst. Der Historiker und Politologe war Direktor des Salomon Ludwig Steinheim-Instituts für deutsch-jüdische Geschichte an der Uni Duisburg. Seit 1991 leitet er als Direktor das Moses Mendelssohn Zentrum an der Universität Potsdam.

"Es ist schwer zu sagen, wie dieser Prozess weiter geht. Konflikte sind vorprogrammiert. Einige Gemeinden stehen sogar vor der Spaltung", sagte Schoeps am Wochenende auf einer Tagung in Halber-stadt. Ihm seien große Differenzen etwa in Berlin, Stuttgart oder auch Düsseldorf bekannt. Die Zuwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion ständen vor einem doppelten Integrationsproblem. Zum einen in der jüdischen Gemeinde und zum anderen in der deutschen Gesellschaft. Eine Studie des Moses-Mendelssohn Zentrums habe herausgefunden, dass sich sogar die jüdischen Zuwanderer, die keinen Anschluss an die Kultusgemeinde gefunden hätten, besser in die Gesellschaft integriert hätten als die andere Personen-Gruppe. Klar sei, so Schoeps, dass der Hauptgrund für die Auswanderung in wirtschaftlichen Motiven liege.

Schoeps macht keinen Hehl daraus, dass er sich nicht sicher sei, "ob die neu entstandenen Gemeinden tatsächlich überleben werden". Der jüdische Historiker, der sich viele Jahre in der jüdischen Gemeinde in Berlin einbrachte, ist jedoch davon überzeugt, dass die jetzige Entwicklung wieder dazu führen wird, dass ein neues "deutschen Judentum entsteht, das auch die deutsche Sprache beherrscht". Nun stehe im Vordergrund, dass die Synagogen genutzt werden, ja sogar einige jüdische Gemeinden nicht mehr benötigte Kirchen als Gotteshaus zu Nutzung überlassen bekommen haben.