In der Selbsthilfe-Gruppe "Aneurysma in Bochum" fanden Ulla Kilian und Inge Wilzoch neuen Lebensmut. Die Krankheit soll stärker ins Bewusstsein der Öffentlichkeit gerückt werden
Bochum. Ein Aneurysma ist ein weitgehend unbeachtetes Krankheitsbild. Dass sogar zwei Prozent der gesamten Weltbevölkerung davon betroffen sind, ist den meisten unbekannt. Häufig kommt die Diagnose erst, wenn es schon längst zu spät ist. Ulla Kilian und Inge Wilzoch gehören zu den wenigen Überlebenden und gründeten im Juni 2006 die Selbsthilfegruppe "Aneurysma in Bochum".
Für achtzig Prozent endet die Krankheit tödlich, nur fünf Prozent überleben den Ausbruch ohne tiefgreifende Schäden. Die übrigen Patienten bleiben ein Leben lang ein Pflegefall. Ein Aneurysma ist eine Ausstülpung von Blutgefäßen durch eine angeborene oder erworbene Gefäßwandschwäche von Hauptschlagadern. Im schlimmsten Fall kommt es zum meist tödlich endenden Riss, dem Ausbruch dieses Aneurysmas.
Hinter dem Krankheitsbild verstecken sich traurige Schicksale. In Bochum treffen sich regelmäßig sieben Betroffene, um sich auszutauschen. Das Leben mit der Krankheit ist zwar auch Thema, aber eigentlich wollen die Teilnehmer zumindest für knappe zwei Stunden im Monat ihr Leid einmal vergessen können. "Wir haben viel Spaß, gehen ins Theater oder frühstücken gemütlich", erzählt Inge Wilzoch munter. Die Motivation sei, in dieser Gruppe neuen Lebensmut zu schöpfen, ergänzt Ulla Kilian.
Die gelernte Bürokauffrau weiß, wovon sie spricht. Erst beim Riss wurde die Diagnose vor zehn Jahren gestellt. Über viele Monate musste sie neu lernen zu sprechen und sich zu bewegen. Den Dingen, die zuvor ihr Leben so bereichert hatten, wie ihr Beruf oder ihre Tennis-Leidenschaft, konnte sie fortan nicht mehr nachgehen. Wut und Verzweiflung, die schließlich in eine langjährige tiefe Depression mündeten, nahmen ihr jeglichen Lebensmut. Ihr eigenes und das unbeschreibliche Leid der Angehörigen trieben sie an den Rand der Verzweiflung. Ein Freund gab schließlich den Anstoß zum Umdenken. "Ich habe dann überlegt, was ich eigentlich alles kann", erinnert sich Ulla Kilian. Auto fahren Aquarellmalerei, sich engagieren. "Es gibt immer eine Perspektive, man muss sich nur trauen, etwas Neues zu machen", sagt sie heute rückblickend.
Anders hat Inge Wilzoch die Krankheit erlebt: Bei ihr wurde ein Aneurysma zufällig bei einer Kernspin-Untersuchung festgestellt. Die Diagnose war für sie ein Schock: "Ich bin durch die Hölle gegangen." Nach drei Monaten wurde sie operiert. Das war vor fünf Jahren, seit März diesen Jahres ist Wilzoch wieder völlig gesund. Sie kann ihr altes Leben weiterleben und sie hat gelernt, es zu lieben: "Ich bin immer gut drauf!"
Beide wollten ihre Erfahrungen an andere Betroffene weitergeben und wandten sich unabhängig voneinander an das Bochumer Selbsthilfebüro. Gemeinsam mit Sozialpädagogin Dorothe?e Köllner wollen sie auf dem Selbsthilfe-Tag im August neue Interessenten gewinnen und die Krankheit mehr ins Bewusstsein der Öffentlichkeit rücken.
"Man muss sich nur trauen, etwas Neues zu machen"