Beim Abschlusskonzert der Ruhr-Triennale in der Jahrhunderthalle. Kurator Mike Herting unterfüttert alte Kracher mit neuen Arrangements

Als ein Religionslehrer die Neugier der Schüler mit dem Beatles-Songs "Nowhere Man" wecken wollte, da war für Wolfgang Niedecken klar: "Ich wurde bekennender Stones-Fan." Damals sei die Fan-gemeinde gespalten gewesen zwischen Anhängern der Fab Four und der Band um Mick Jagger. Ein Dazwischen oder ein "Sowohl als auch" habe es nicht gegeben.

Der Frontmann der BAP, der mit seinem Konzert die Triennale in der Jahrhunderthalle abrundete, erzählte diese Anekdote vor ausverkauftem Haus - um danach doch den "Nowhere Man" zu intonieren. Allerdings nicht in der mehrstimmigen Version der Beatles, sondern neu arrangiert durch Mike Herting. Herting fungierte während der dritten Spielzeit der Flimm-Intendanz als Kurator der Reihe "Century of Song" und hat diese Aufgabe bestens gelöst.

Während des beinahe dreistündigen Konzerts hüpfte der Kurator wie ein munterer Derwisch vom Klavier zur Band, von dort zu Niedecken, dem er etwas ins Ort flüsterte, um danach den Bassisten Dave King anzufeuern. Welthits aus den 60er Jahren zu covern, das ist nicht ohne Risiko. Doch Wolfgang Niedecken zeigte sich zuversichtlich. Er setzte auf die zum Teil verblüffenden Sounds, mit denen Mike Herting betagte Kracher wie "The Wind Cries Mary" von Jimi Hendrix oder "Jumpin' Jack Flash" der Stones unterfüttert hatte. Da war die Gefahr, die Lieblingssongs wie eine Schülerband nachzuspielen, nicht zu befürchten. Die Musiker (nicht BAP) folgten den Intentionen des Kurators druckvoll und dynamisch: Es war eine Lust, dem zuzuhören. Und auch Wolfgang Niedecken fühlte sich wohl in einem Soundbad, bei dem die Bläsersätze von Mitgliedern der WDR-Bigband dem Soul, dem Funk, dem Rock 'n' Roll heftige Reverenz erwiesen.

Auf der anderen Seite der Kölner Jugendchor St. Stephan, der dem Konzert ganz andere Tön' beimischte und mit einer innigen A-capella-Version von Wolf Biermanns Ballade "Vom donnernden Leben" begeisterte. Obwohl das BAP-Repertoire nicht im Zentrum stand, der Klassiker "Verdamp lang her" der kölschen Gruppe durfte natürlich nicht fehlen. Mike Herting hatte sich dafür selbstredend eine ungewohnte Variante einfallen lassen.

Auch Gäste hatte sich Wolfgang Niedecken eingeladen: Klaus der Geiger, Kumpel aus alten Tagen, fiedelte sich die Seele aus dem Leib. Mit seinem Latz-Lederhose wirkte er ein wenig so, als hätte er gerade auf einem Öko-Bauernhof seine Arbeit beendet.

Jürgen Flimm rezitierte einen melancholischen Text von Heinrich Böll und eine Passage aus der Johannesoffenbarung. Diese so überraschenden Intermezzo fügten sich besser in den Gesamtablauf, als man das zuvor hätte ahnen können. Beim riesigen Applaus hielt sich Jürgen Flimm zunächst etwas zurück, wurde dann allerdings in die Reihe der Musiker gebeten.

Zu Recht: Der verschmitzte Triennale-Chef kann mit dem Verlauf seines dreijährigen Engagements mehr als zufrieden sein. Riskantes stand neben (meist) tiefgängigem Entertainment. Gewonnen!