Der Konkurrenzkampf unter Bochumer Rechtsanwälten wird immer härter. Ihre Anzahl steigt und steigt. 1999 waren am hiesigen Amtsgerichtsbezirk 569 Anwälte zugelassen, 2004 schon 750 - und zurzeit sind es 849. Im Landgerichtsbezirk sogar 1526. Der Kuchen, der zu verteilen ist, wächst aber nicht.

„Die Zunahme der Anwälte wird dazu führen, dass die Anwälte mit Einkommensrückgängen zu rechnen haben”, sagt Jürgen Widder, Vorsitzender des Bochumer Anwalt- und Notarverein, auf WAZ-Anfrage.

Bescheidenes durchschnittliches Einkommen

Schon vor neun Jahren lag das Durchschnitts-Nettoeinkommen der Anwälte in Einzelkanzleien (55 % aller Anwälte) Erhebungen zufolge bei nur 1500 €. Nach Abzug aller Kosten. Seither ist die Anzahl der Anwälte aber rasant gestiegen. Gleichzeitig haben sich einige Rahmenbedingungen verschlechtert. Beispiel: Seit einiger Zeit müssen Kläger - anders als vorher - alle zu erwartenden Kosten vorweg ans Gericht zahlen. Das schreckt viele potenzielle Kläger ab. „Früher ist man weniger zurückhaltend gewesen, Klage zu erheben, weil nicht eine so hohe Kostenvorschusspflicht bestand”, sagt Rechtsanwalt Egbert Schenkel. „Auch das ist ein Grund dafür, dass der Kuchen kleiner geworden ist.”

"Das macht den Anwaltsberuf schwieriger"

Angefacht hat den Konkurrenzkampf auch die Versicherungsbranche, die eigene „Rechtsberatungen” anbietet. Und auch ein neues EU-Recht. Früher konnte man nur an dem Landgericht eine Zivilklage vertreten, an dem man zugelassen ist. Heute darf man das überall. „Das macht den Anwaltsberuf schwieriger”, meint Amtsgerichtsdirektor Friedrich Meyer. Weil man so nicht nur auswärtige Konkurrenz hat, sondern auch selbst mehr reisen muss und weniger Zeit hat für andere Mandate.

Mandate sind "umkämpft"

Meyer selbst ist Strafrichter. Auch da sind die Mandate „umkämpft”. Seit sich unlängst die Gebühren für Pflichtverteidiger massiv erhöht haben, drängen auch Anwälte, die sonst nur zivilrechtlich unterwegs sind, in diesen Bereich. Gleichzeitig gibt es aber nicht mehr Strafverfahren als vorher. Das macht die Sitten rauer. „Ich habe das Gefühl, dass gehäuft versucht wird, in Verfahren hineinzudrängen”, sagt Richter Volker Talarowski. Plötzlich auftauchende Wahlverteidiger versuchen während eines Verfahrens, den Pflichtverteidiger rauszukegeln, indem sie das Vertrauen des Angeklagten an sich heranziehen. Je Sitzungstag bringen Mandate immerhin einige hundert Euro.

"Ellbogen-Mentalität"

Ein Verteidiger (der anonym bleiben will) spricht da von „Ellbogen-Mentalität”. Einem seiner Konkurrenten wird zum Beispiel vorgeworfen, dass er Häftlingen Geld oder Zigaretten zusteckt, damit diese bei Mitgefangenen Reklame für ihn machen. Der Gemeinte streitet das aber ab: „Alles Geblabber. Ein Anwalt, der das tun würde, ist schnell weg vom Fenster, weil das verboten ist”, sagte er der WAZ. Im Gegenzug wirft er einigen älteren Kollegen „Platzhirsch”-Bewusstsein vor.

Anwälte auf der Anklagebank - wegen Untreuevorwurf

Zurzeit stehen in Bochum in zwei Prozessen zwei Anwälte (42, 62) und eine Anwältin (44) wegen mutmaßlicher Veruntreuung von Mandantengeldern vor Gericht. Das sind zwar absolute Ausnahmefälle. Trotzdem fragt man sich, ob akute Geldnot als mögliches Motiv eine Rolle spielt.

Richtig gut verdient wird in der Branche allerdings dennoch (vor allem im Wirtschaftsrecht). Ein Bochumer Anwalt schätzt aber: „25 Prozent der Anwälte verdienen soviel wie die anderen 75 Prozent.” Das ist eine Herausforderung für die zurzeit 3027 Jura-Studenten an der Bochumer Ruhr-Uni. Für sie alle gilt: Gute Noten und Fremdsprachen werden immer wichtiger, um ordentlich Fuß zu fassen auf dem Arbeitsmarkt.