Großformatiges Kunstwerk von Bettina Marx wird im Haus Kemnade von einer heftigen Übermalung gestört.Für den konzentrierten Betrachter enthüllt sich in den Arbeiten eine Opulenz der Zwischentöne

Ein Panaroma unterschiedlichster optischer Eindrücke vermittelt die Phalanx der Bilder von Bettina Marx im Ausstellungsraum des Kunstvereins auf Haus Kemnade. Der Betrachter sollte Geduld und Muße mitbringen. Foto: WAZ, Horst Müller
Ein Panaroma unterschiedlichster optischer Eindrücke vermittelt die Phalanx der Bilder von Bettina Marx im Ausstellungsraum des Kunstvereins auf Haus Kemnade. Der Betrachter sollte Geduld und Muße mitbringen. Foto: WAZ, Horst Müller © WAZ

Wer den Ausstellungsraum betritt, glaubt zunächst, hier habe ein Kulturbanause gewütet, ein Irrer, der eine Wandmalerei mit einem Topf schwarzer Farbe beschüttet hat. Die Farbe läuft in Schlieren die Wand hinunter. Doch natürlich hat sich kein Wüstling in die Idylle des Hauses Kemnade verirrt. Der Frontalangriff ist bewusst von der Künstlerin gesetzt, ist Teil der Ausstellung mit Arbeiten von Bettina Marx, die unlängst im Kunstvereins-Raum im historischen Gemäuer eröffnet worden ist.

Bettina Marx hat, wie schon so viele Künstlerinnen und Künstler vor ihr, ihr Gastspiel auf Kemnade ortsbezogen ausgerichtet. Schon im Sommer hat sie sich die ungewöhnliche Architektur im Kunstvereins-Raum genau angeschaut. Was sie dafür ersonnen hat, ist eine Mischung aus herkömmlichen Tafelbildern und zwei eigenartig fragmentarisch wirkenden Wandmalereien, eine davon in der schon genannten Ecke des Raumes, die andere auf der typischen Mauer-Rundung.

Es sind Zwittermotive aus figurativ und abstrakt oder informell, die die Bilder von Bettina Marx kennzeichnen. Die Serie, die als Grundlage für die Ausstellung auf Kemnade dient, hat Bettina Marx während eines Stipendiums in Paris erarbeitet.

Realistische Abbildungen stehen bei dieser Künstlerin also nicht im Vordergrund, vieles bleibt angedeutet oder betont die farblichen Eigenwerte. Anflüge einer abbildhaften Illusion werden oft zurück gedrängt auf das Element Farbe. "Manches Motiv muss der Betrachter assoziativ zu Ende denken", erläutert Reinhard Buskies vom Kunstverein.

Trotzdem verfügen die Einzelbilder - entweder übergroß oder verhältnismäßig klein - über eine in sich abgeschlossene Ausstrahlung. Das Schwelgen in Extremen setzt sich auch in der Malweise fort: Da ist zum einen der eruptive Eingriff mit der schwarzen Farbkaskade, andererseits hat die Künstlerin einen daneben abgebildeten Baum in feinsten Strukturen gezeichnet.

Und wer glaubt, das wolkenartige Gebilde sei so unbefangen auf die Mauerwand gemalt worden wie das scheinbar so zerstörerische Schwarz, der sollte sich intensiver mit der Farbgebung befassen.

Diese ist mehrschichtig aufgebracht worden, um feine Nuancen bemüht, die ein äußerst bewusstes künstlerisches Vorgehen signalisieren. Obwohl letztlich ein spielerisches Element dennoch vorhanden bleibt, denn die physikalischen Eigenschaften der Farbe lassen sich nicht vollständig kontrollieren.

Dadurch verbleibt ein nicht geringer Rest an unkalkulierbarem Risiko, eine latente Gefahr des künstlerischen Scheiterns.

So aggressiv und wild die Kunst von Bettina Marx im Teilen auch scheinen mag, für den konzentrierter Betrachter enthüllt sich in ihnen eine Opulenz der Zwischentöne. Wobei die feinen abstrakten Strukturen seltsamerweise nicht von der Vehemenz anderer Bildteile erschlagen werden.

Diese Arbeiten lohnen mehrere Blicke.