Das Bochumer Babyfenster in der Kinderklinik bietet verzweifelten Müttern einen letzten Ausweg.Der Sozialdienst katholischer Frauen versucht die Frauen aus ihrer Anonymität herauszuholen

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Nur in der "allergrößten Notsituation" könne das Babyfenster eine Hilfe sein, sagt Birgit Carduck vom Sozialdienst katholischer Frauen (SkF) in Bochum. Ansonsten keinesfalls. Doch der Begriff "Notsituation" ist dehnbar, schwammig, schwer definierbar. Kaum jemand kann sich in das persönliche Schicksal einer Mutter hineinversetzen, die ihren Säugling in eine Babyklappe gibt.

Auch in Bochum gibt es eine solche, die vom SkF betreut wird. "Babyfenster Sonnenblume" heißt die Einrichtung, die nun seit fast sieben Jahren in der Kinderklinik am St.-Josef-Hospital am Stadtpark verzweifelten Müttern einen letzten Ausweg bieten soll, bevor es möglicherweise zur Tötung des Neugeborenen kommt, wie in diesen Tagen an Babyklappen in Hannover und Karlsruhe geschehen.

Nicht nur Fürsprecher kennt die Babyklappe, einige Organisationen üben harte Kritik an der Einrichtung. Babyklappen sind anonym, Mütter legen ihre Säuglinge in das sich drinnen befindliche Wärmebett, verschließen das Fenster und haben dann die Möglichkeit, den Ort unbeobachtet zu verlassen. Denn erst einige Minuten später ertönt das Signal für die Krankenschwestern, das Baby der Klappe zu entnehmen und medizinisch zu versorgen.

Das Kinderhilfswerk Terre des hommes kritisiert etwa, dass Frauen sich so der eigenen mütterlichen Verantwortung auf die einfachste Weise entziehen könnten. Die Freigabe zur Adoption könne so vermieden werden. Auch sei seit Einführung der ersten Babyklappe in Hamburg im Jahr 2000 kein zahlenmäßiger Rückgang von Kindestötungen zu verzeichnen gewesen.

Auch beim Bochumer Sozialdienst katholischer Frauen ist man sich dessen bewusst und versucht daher, die Betroffenen aus ihrer Anonymität herauszuholen. "Am liebsten ist uns, wenn die Mütter schon vor der Entbindung das Gespräch suchen würden", sagt Ute Apalups. Es könne dann gemeinsam eine Lösung gefunden werden. Möglicherweise entschieden sich die Frauen dann bewusst für eine Freigabe zur Adoption.

Viele Schwangere suchen jedoch - trotz starker Aufklärungsarbeit der Bochumer sozialen und kirchlichen Einrichtungen - keine professionelle Hilfe. "Hier geht es um eine so schwierige Lebenssituation, dass sich die Betroffenen weder ihrem Umfeld anvertrauen, noch eine Beratungsstelle aufsuchen."

Doch auch für Mütter, die ihren Säugling in das Babyfenster Sonnenblume bringen, gibt es noch ein Zurück: Ein Brief, verfasst in mehreren Sprachen, liegt in der Babyklappe bereit. Dass sich die Mutter an den SkF wenden könne, steht darin und vor allem erklärt der Brief auch, was mit dem eigenen Baby passieren wird: medizinische Versorgung und Unterbringung in einer Adoptivfamilie. Ebenso wird die Mutter auf ihre Rechte hingewiesen, etwa dass sie nach Ablauf der sogenannten Acht-Wochen-Frist die Vormundschaft für das Kind an die Adoptiveltern verliert. Bis dahin könne sie sich noch umentscheiden, sagt Carduck.

Acht Kinder wurden seit April 2001 im Babyfenster gefunden. Das erste Baby versorgte die Kinderklinik im Sommer 2001, zuletzt wurde 2006 ein Kind hineingelegt. Keine der Mütter ist bisher aus ihrer Anonymität herausgetreten und hat sich an den SkF gewandt. Ihre Lebenswege bleiben ungeklärt, ebenso die Gründe, warum sie die Babys weggaben.