Wer die Homepage der Stadt im Internet anklickt, findet unter dem Motto "Bochum macht jung" viele lachende Grauköpfe als Ratsmitglieder. Auch in 2008 ist wieder mit ihnen zu rechnen

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Wer die Homepage der Stadt Bochum im Internet anklickt und sich dort unter dem Motto "Bochum macht jung" an den fröhlichen Grauköpfen des Rates erfreut, könnte glauben, dass dies noch kein Potenzial für Langzeiturlaub auf den Balearen sei. Bei aller "Ehrfurcht vor schneeweißen Haaren" - von dieser sesselfesten Ratsriege ist im Jahr 2008 noch mehr zu erwarten, zu erhoffen oder zu befürchten als Sandspiele am Mittelmeer.

Nehmen wir den Heinz Hossiep. Seit 38 Jahren sitzt der Mann nun schon im Rat und kümmert sich. Er muss jetzt 70 sein, wenn wir richtig mitgezählt haben. Der einst übermächtige Fraktionsboss der SPD glänzt heute noch als Rollenfürst: als Stadtentwickler, als VfL-Mentor, als brillanter Redner.

Andere - wie der geschasste Rechtsdezernent Hans-Peter Knirsch - sahen ihn eher als "Paten", der nach wie vor die Strippen zieht und Parteifreunde aufsteigen oder fallen lässt. Als Gaby Schäfer Bürgermeisterin wurde, stellte er ihr eine besonders harte Bedingung: Dann müsste sie sich aber öfter die Haare waschen. Als Ottilie Scholz Oberbürgermeisterin werden sollte, hatte sie Glück: Hossiep, ganz Pate, zeigte sich angetan: "Sie kann alles, Kumpel und auch auf Dame." In jüngeren Jahren konnte Hossiep sich herrlich aufregen, etwa, als er sich über Berichte zum Bochumer SPD-Filz erboste. "Dem Hartmann reiß' ich die Eier ab," schrie er da einem Kollegen durchs Telefon ins Ohr. Dazu ist es zum Glück nicht gekommen.

Hossiep konnte auch charmant sein. Etwa als "Witwenschüttler". Das war, als er eine Millionärin in Essen besuchte, um sie als Sponsorin für den VfL zu keilen. Der Verein liegt ihm als Herzen. 2006, als die Fraktionsspitzen Heinz Dieter Fleskes (SPD) und Klaus Franz (CDU) dem Stadtwerkechef Bernd Wilmert die Daumenschrauben anlegten, damit der 7,5 Millionen Euro für den VfL locker machte, waren die beiden Gäste nicht allein erschienen, der "dritte Mann" war Hossiep. Der Deal klappte: Seitdem hat Bochum ein rewirpower-Stadion.

Im Jahr 2008 wird die Stadt Bochum Eigner des RuhrCongress. Dass das Veranstaltungszentrum überhaupt zustande kam, gilt maßgeblich als Hossieps Werk. Nicht von ungefähr wacht er als Aufsichtsrat der Veranstaltungsgesellschaft über das, was im Ruhrcongress und in der Jahrhunderthalle geschieht. Aber er wäre nicht der "Pate", wenn er nicht auch noch ein Auge auf das geplante Konzerthaus hätte: Für dieses Projekt wird 2008 eine gemeinnützige GmbH gegründet. Ein neues Aufsichtsgremium dafür ersparte sich der Rat: Diese Rolle nimmt der Aufsichtsrat der städtischen Projektgesellschaft EGR wahr - mit Hossiep an der Spitze.

Auch andere Rentner sind im Rat noch fleißig. Etwa Clemens Kreuzer von der CDU. Der hatte eigentlich Journalist werden wollen, machte stattdessen im WAZ-Verlag Karriere, stieg dort zum Prokuristen auf. Und weil er ein Mann mit Prinzipien ist, hielt er Beruf und Kommunalpolitik stets strikt getrennt. Zum Kummer der Redaktion: Nie in all den Jahren bekamen wir einen vertraulichen Hinweis von ihm. Kreuzers Herz schlägt für die Kultur. Als Elfriede Jelinek den Peter-Weiss-Preis der Stadt Bochum erhielt, schien der versierte Kulturpolitiker betrübt: Seine Fraktion protestierte nämlich gegen die Ehrung, das Werk der Österreicherin ("Lust") galt einigen Christdemokraten als zu pornographisch. Später, im Jahr 2004, erhielt Elfriede Jelinek den Literaturnobelpreis.

SPD-Fraktionschef Heinz-Dieter Fleskes wurde 2007 Rentner, in der Homepage der Stadt firmiert er noch als "Schulleiter". Jetzt hat er mehr Zeit, die politischen Kanonen für das Jahr 2008 zu laden: 55 000 qm Biomedizin-Park warten auf Firmen, Kindergärten sind bedroht, weil der Bischof sparen will, und immer noch ist die Finanzierung des Konzerthauses nicht unter Dach und Fach. Aber Bochum macht jung, und das sei auch den jungen Alten im Rat ein Trost.