Eigentlich wollte Stadtplaner Torß-Christian Schulz (65) im letzten Jahr in den Ruhestand gehen.Nun wirbt er in Bochums Ämtern für den Platz des europäischen Versprechens

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Wie heißt es so schön im Volksmund: Erstens kommt es anders und zweitens als man(n) denkt. Als Stadtplaner Torß-Christian Schulz nach über 40 Jahren im Rathaus letztes Jahr endlich in den Ruhestand ging, freute sich der 65-Jährige auf mehr Freizeit mit seiner Frau und auf kreative Stunden daheim vor seiner Staffelei: Sein größtes Hobby ist nämlich die Malerei. Doch daraus wurde bisher nichts. "Ich hatte den Pinsel noch nicht einmal in der Hand."

Nie geht man so ganz. Auch Torß-Christian Schulz nicht. Seit Sommer letzten Jahres ist er für den Platz des europäischen Versprechens, dem Bochumer Beitrag zur Kulturhauptstadt 2010, unterwegs. In den einzelnen Ämtern wirbt er bei den städtischen Beschäftigten für das Kunstprojekt von Jochen Gerz. Und das sind in Bochum nicht wenige. 42 Ämter gilt es anzuschreiben, mit den Abteilungsleitern Termine zu vereinbaren, Vorgespräche zu führen und dann schließlich die Versprechen für Europa von den Beschäftigten einzuholen. So zwei bis drei Mal in der Woche ist Schulz auf Achse, im letzten Monat sammelte der einstige Innenstadtplaner 90 neue Versprechen. Nicht fürs große Geld, sondern für eine kleine Aufwandsentschädigung.

"Als ich darum gebeten wurde, habe ich nicht sofort ,Ja' geschrien", verrät Schulz. Immerhin würde ein großer Teil seiner neu gewonnenen Pensionärsfreiheit für das Projekt draufgehen. Da der 65-Jährige aber schon bei der Planungsphase für den Platz des europäischen Versprechens von der ersten Idee an bis zu ihrer Vollendung durch Jochen Gerz dabei war, ist ihm das Kunstprojekt bereits während seiner letzten Monate im Rathaus ans Herz gewachsen.

"Ich habe den Entstehungsprozess miterlebt ", sagt der derzeite Rentner auf Teilzeit, "Dafür opfere ich gern meine Freizeit." Natürlich hat der Mann mit dem seltenen Vor-namen sein persönliches Versprechen für Europa bereits gegeben.

Seine Augen leuchten hinter der runden Brille auf, wenn er über Jochen Gerz und dessen Kunstwerk spricht. Er erzählt den städtischen Beschäftigten, wie die Idee entstanden ist, berichtet über die "Helden-Gedenkhalle" in der Kapelle neben der Christuskirche und erklärt, wo die Granitplatten mit den Namen (10 000 Versprechen sollen es werden) ab kommenden Sommer eingesetzt werden. Schulz versucht ihnen in seinen Worten die doch sehr abstrakte und für den Kunstlaien schwer verständliche Intention von Gerz näher zu bringen. Dies tut er entweder mittels eines Overhaedprojektors oder gleich direkt vor Ort in der Kapelle.

Viele Mitarbeiter würden sofort ihr Versprechen geben, andere dagegen schliefen lieber noch eine Nacht drüber und füllten das Formular wenn dann meist im Internet aus. "Die Resonanz ist schon gut, aber die Leute rennen mir auch nicht die Bude ein."

Bis zur feierlichen Eröffnung an Silvester 2010 will Torß-Christian Schulz das Projekt begleiten. Wenn dann um zwölf Uhr die Sektkorken knallen und bunte Raketen durch die Luft fliegen, wird er endlich Vollzeit-Rentner sein. Das wiederum musste er seiner Gattin versprechen.