Regt eine Biennale an. Start im Hauptstadtjahr. Vorgeschmack im Herbst
"Um die Idee steht es heute besser als zu Anfang, als ich mit dem Gedanken betteln gegangen bin", freut sich der frühere Bochumer Kulturdezernent Richard Erny. Schon seit einigen Jahren versucht er Sympathie für synagogale Musik zu wecken. "Manche, die früher nicht wussten, wie man das schreibt, sind heute von meinem Vorschlag angetan", schmunzelt Richard Erny. Ihm schwebt eine Biennale "Musik der Synagoge" vor. Da das Projekt revierweit angelegt ist, hat Manfred Keller vom Ev. Forum Westfalen Ernys Vorschlag für das Programm der Kulturhauptstadt 2010 eingereicht. Auch Keller, lange Jahre Leiter der Ev. Stadtakademie an der Klinikstraße, befasst sich seit geraumer Zeit mit der Musik, wie sie in der Synagoge erklang und erklingt. Die erste Biennale-Ausgabe ist im Jahre 2010 geplant. Einen Vorgeschmack sollen zwei Konzerte ermöglichen, die in Bochum im laufenden Jahr im Umfeld des 9. November vorgesehen sind.
Die Biennale "Musik der Synagoge" soll die in Deutschland durch den Nationalsozialismus nahezu zerstörte Tradition synagogaler Musik des Judentums in Erinnerung rufen, neu beleben und kontinuierlich pflegen. Im 19. und beginnenden 20. Jahrhundert erlebte die jüdisch-liturgische Musik europaweit eine besondere Blüte. Neben dem Sologesang des Kantors trat der Chorgesang (zunächst nur Männerchöre) und - in Gemeinden der liberalen Richtung - auch die Orgel.
Die musikalische Tradition, die sich aus unterschiedlichen ost- und westeuropäischen Quellen speist, wurde damals - nach Jahrhunderten der mündlichen Überlieferung - schriftlich festgehalten. Auch neue Melodien wurden im Stil der Zeit komponiert.
Die Pogromnacht 1938 und die Shoa setzten dieser Tradition ein Ende. Nach Ansicht von Richard Erny sollen im Ruhrgebiet, der dichtesten Synagogenlandschaft Deutschlands, durch die Biennale die vergessenen Musikwerke der europäischen Synagogen aufs Neue und auf praktische Weise wieder zugänglich machen. Das Bochumer Synagoge ist bekanntlich erst vor kurzem eröffnet worden. Die heutigen jüdischen Gemeinden, die zum größten Teil aus Einwanderern bestehen, werden vor-aussichtlich an die alten Traditionen nicht anknüpfen können.
"Sie können aber ihre künstlerischen Fähigkeiten entfalten, indem sie die mitgebrachten Traditionen und das früher hier gepflegte musikalische Erbe verbinden", meinen Erny und Keller als Ideengeber der Biennale.
Das neue Festival könnte Konzerte, Workshops, Vorträge, Seminare und Symposien umfassen. Die Biennale könnte die Basisarbeit in den jüdischen Gemeinden unterstützen. Wenn es die Finanzen zulassen, wäre es möglich, internationale Kantore und Kantorinnen und Chöre zu verpflichten. "Damit ließe sich ein Konzertprogramm erstellen, das über die Grenzen der jüdischen Gemeinden hinaus Besucher erreichen könnte", so die beiden Antragsteller.
Die "Musik der Synagoge" würde also dazu beitragen, auch den nichtjüdischen Bürgern eine bedeutende europäisch-jüdische Musiktradition wieder näher zu bringen. Außerdem könnte während des Festivals über Geschichte und Praxis synagogaler und anderer jüdischer Musik informiert werden.
Richard Erny schlägt vor, dass sich das städtische Kulturbüro um die Organisation der Biennale "Musik der Synagoge" kümmert.