Als Hauptmann von Köpenick musste er gegen die grelle Inszenierung des damaligen Intendanten Matthias Hartmann anspielen: ein irrlichtender Fremdling eher denn ein sozial Entwurzelter. Otto Sander blieb auch als Schuster Wilhelm Voigt von jener ihm eigenen Präsenz, deren Wirkkraft sich aus Zurückhaltung speist und nicht aus kraftmeierischem Auftrumpfen.
Als Otto Sander im Bochumer Schauspielhaus den erstmals verliehenen Bernhard-Minetti-Preis erhielt, stand da wieder einer, der ein wenig schief in die Welt gebaut zu sein scheint, und dem die Sympathien dennoch gewiss sind. Von der gerade überstandenen Krebserkrankung noch spürbar angeschlagen, betrat ein Schauspieler die Bühne, der die Tiefen der Existenz, von denen er auf der Bühne stets so dezent berichtet hatte, nun mit brutaler Macht selbst erlitten hatte. Während seiner kurzen Dankrede musste der Geehrte mit den Tränen kämpfen, gerührt vom Augenblick, vielleicht auch erleichtert, wieder dabei zu sein im Wunderzirkus, der sich Theater nennt.
Mit dem Bernhard-Minetti-Preis, benannt nach dem greisen Bühnenheroen der Peymann-Ära, sollen zukünftig besondere Leistungen am Schauspielhaus geehrt werden, die sich außerhalb der normalen Ensemblearbeit entwickelt haben. Laudator Burghart Klaußner erinnerte daran, dass Otto Sander in der legendären Truppe von Peter Stein „der coolste aller von uns so verehrten Popstars der Schaubühne” gewesen sei. Otto Sander sei „ein Zeitgenosse an der Bar, dem seine Rollen sich zur Seite gesellen wie Gefährten, oder wie Engel”. Einen solchen hat Otto Sander im Film „Himmel über Berlin” von Wim Wenders denn auch folgerichtig verkörpert.
Die Mischung aus Intelligenz und Melancholie habe es Sander ermöglicht, „in vielen Stücken die Verbindung zwischen Abstrusem, Absurdem und Aberwitzigem einerseits sowie dem Ernst tiefer Verzweiflung andererseits herzustellen”.
Die Träger des regulären Bochumer Theaterpreises sind Martin Rentzsch bei den Arrivierten und Christoph Pütt-hoff in der Sparte Nachwuchs. Rentzsch hat sich - ob in Pinters „Hausmeister” oder Shakespeares „Macbeth” - als ein Filigranarbeiter erwiesen, der ohne überflüssige Posen und Verstellungen den Kern seiner Figuren zur Entfaltung bringt. Laudatorin Lisa Nielebock beschrieb Martin Rentzsch als einen Schauspieler, der sich eigentlich alle Rollen aneignen kann. Rentzsch bringe eine „Konzentration und Achtung für die Figuren mit, die es ihm erlaubt, etwas Tiefes und Wesentliches zu berühren”.
Das galt neben Produktionen auf der großen Bühne auch für ein unaufwändiges Solo im U-Bahn-Eingang unter Tage nahe dem Schauspielhaus. Das Publikum saß auf steinernen Treppenstufen, während Rentzsch im zugigen Gang seine verquere Spielfigur in „Die Nacht kurz vor den Wäldern” von Bernard-Marie Koltès formte. Theater unter der Grasnarbe sozusagen.
Christoph Pütthoff hat sich in wenigen Jahren am Schauspielhaus ein breites Bühnenrepertoire erarbeitet und konnte zuletzt mit seiner bis zur Selbstverleugnung gesteigerten Aneignung des Clov in Becketts „Endspiel” begeistert. Er gibt den absurden Helden wie einen Schmerzensmann, gellend schreiend bis zum Exzess - hier fleht das Leben um sich selbst.
Laudatorin Marina Busse von der Essener Folkwang-Hochschule freute es zu sehen, dass Christoph Pütthoff am richtigen Ort, mit dem richtigen Aufgaben und dem richtigen Publikum angekommen sei. Er sei jetzt kein Anfänger mehr, sondern ein „Spieler”.