Bochum. Auf einem Teilstück der Essener Straße gilt Tempo 30. An fünf Stellen im Stadtgebiet soll die Geschwindigkeitsbegrenzung für Entlastung sorgen.
- Mit einem Lärmaktionsplan will die Stadt Bochum Anwohner besonders lärmintensiver Straßen schützen
- An fünf Stellen der Stadt wird getestet, wie wirksam die Einführung von Tempo 30 auf großen Straßen ist
- Bochum eifert damit der Hauptstadt nach.Berlin hat bereits gute Erfahrungen gemacht
Bis zu 23 000 Fahrzeuge rollen tagtäglich über die Essener Straße. Die Ausfallstraße in Richtung Westen gehört zu den stark genutzten Verbindungen in der Stadt – und in einem Abschnitt auch zu den lautesten. Weit über 70 Dezibel (dB) werden dort tagsüber gemessen; auf einer Lärmskala liegt das zwischen Büro- und Haushaltslärm sowie im Gewerbe vorgeschriebenen Gehörschutz. Nachts (66 dB) ist es nur unwesentlich leiser.
Das soll sich nun ändern. Zwischen Eugen- und Gotenstraße, wo die Bebauung direkt an die Straße grenzt und der Lärm am stärksten ist, gilt seit einigen Tagen eine Beschränkung auf Tempo 30. Langsamer fahren soll zu geringerer Geräuschkulisse und so zur spürbaren Entlastung der Anwohner führen. Das sieht der im Vorjahr vom Rat beschlossene Lärmaktionsplan vor.
Modellrechnung geht von Reduzierung des Lärms um drei Dezibel aus
Die Modellrechnung des Beraterbüros Lärmkontor aus Hamburg geht von einer Reduzierung des Lärms um bis zu drei Dezibel (dB) aus. „Das hört sich nicht so an, als ob es viel wäre, entspräche aber der Reduzierung um die Hälfte des Verkehrs“, sagt Stadt-Sprecherin Tanja Wißing. Die Zahl der Lärm-Betroffenen soll sich rechnerisch tagsüber um 30 Prozent und nachts um 35 Prozent verringern. Ansonsten hoffe das Umwelt- und Grünflächenamt, zusätzliche Lärmminderungen würden durch das Lärmschutzfensterprogramm erreicht werden, das Teil des Lärmaktionsplans ist.
Insgesamt hatte das Lärmkontor für 42 Stellen im gesamten Stadtgebiet eine Tempobeschränkung vorgeschlagen. An fünf Stellen wird die Geschwindigkeitsbegrenzung zur Lärmminderung umgesetzt. An der Hattinger Straße gilt im Lindener Ortskern seit einigen Wochen Tempo 30. Die Experten hatten eine Abnahme des Lärms um bis zu 7 dB errechnet und gehen davon aus, dass künftig zu 98 Prozent die Grenzwerte eingehalten werden.
An der Oskar-Hoffmann-Straße gilt die Geschwindigkeitsbegrenzung zwischen Universitätsstraße und Düppelstraße seit den Sommerferien. Auch dort erhoffen sich die Experten eine Reduzierung um 3,3 dB. 98 Prozent der Anwohner würden nach den Berechnungen davon profitieren – nachts sogar 100 Prozent.
Effektivität der Tempobegrenzung wird gemessen
So weit die Theorie. Wie effektiv die Tempobegrenzung tatsächlich ist und ob die Maßnahmen zu größeren Belastungen in den Nebenstraßen führen, sollen Kontrollmessungen ergeben. An zwei weiteren Stellen, der Günnigfelder Straße in Wattenscheid sowie auf dem Harpener Hellweg wird der Verkehr demnächst gezählt, ehe die Tempo-30-Schilder aufgehängt werden.
Die Gutachter schwören auf die Maßnahmen. Bei der Debatte im Vorfeld hatte Diplom-Ingenieur Mirco Bachmeier vom Lärmkontor angesichts von Zweifel an der Effektivität der Maßnahme gesagt: „Das begegnet uns deutschlandweit.“ Es gebe aber Städte, in denen die Maßnahme intensiv genutzt werde.
Positive Reaktion von Anwohnern
Berlin gilt als Vorreiter bei der Tempobegrenzung aus Lärmschutzgründen. An 164 km der Hauptverkehrsstraßen gelten nachts (22-6 Uhr) Tempo 30, tagsüber sogar an 372 km; dann indes vorwiegend aus Sicherheitsgründen. An 17 Prozent des Berliner Hauptstraßennetzes gelte zumindest zeitweise die Begrenzung auf 30 km/h. Die Kontrolluntersuchung dort haben ergeben, dass der Geräuschpegel um 1,2 bis 3,1 dB sinkt, Anwohner reagierten fast ausnahmslos positiv auf die Maßnahmen.
„Ja“ zu Tempo 30 - Ein Kommentar von Andreas Rorowski
Unsere Stadt soll leiser werden. So könnte in Abwandlung des Mottos zum Bundeswettbewerb „schönstes Dorf“ das hehre Ziel Bochums lauten. Ein Ziel, das nicht zu unterschätzen ist. Denn: Lärm macht krank; oft unmerklich, aber dafür nachhaltig. Vor allem nachts, wenn wir zur Ruhe kommen wollen, raubt uns eine überdurchschnittlich hohe Geräuschkulisse die Chance zur Entspannung und Erholung.
Alle Maßnahmen, die diese Ruhestörung mindern, sind daher zu begrüßen; zumal sie erfreuliche Nebeneffekte wie mehr Sicherheit auf den Straßen oder eine geringere Luftschadstoffbelastung mit sich bringen. Und: Zumindest in Berlin haben sie festgestellt, dass Tempo 30 weder zu einer nennenswerten Verkehrsverlagerung in andere Straßen noch zu einem zäheren Verkehrsfluss führt.
Das ist die eine Seite. Die andere dreht sich vor allem um die Frage, ob denn tatsächlich an Hauptstraßen einer Großstadt der Verkehr so gebremst werden dürfe. Pendler, Händler und Lieferanten werden sagen: „Nein“. Anwohner werden kontern: „Ja“.
Und im Zweifelsfall wiegt deren Stimme ein bisschen mehr als andere. Denn: Sie müssen mit den Beeinträchtigungen leben. Alle andere rauschen nur durch.